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Allokation von Medien-Zeit
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»Time is a mystery.
It cannot be tied down by a definition or confined inside a formula.
Like gravity, it is a phenomenon that we can experience
but cannot understand.«
Clifford Sharp [1]
2 Die Ökonomie der Zeit
Ein mysteriöses Phänomen wie die Zeit aus einer ökonomischen Perspektive
zu behandeln, kann sich als problematisch erweisen: „Economics is not
mysterious even if the writings of some of its high priests do sometimes
appear to pass all human understanding.”
[2] Darum erachten es Wirtschaftswissenschaftler im Regelfall als
‚ökonomisch’, die Vielschichtigkeit des Zeitbegriffs nicht zu beachten
und Zeit entweder aus ihrer Betrachtung ganz zu entfernen [3] oder sich eine Zeit zu modellieren, die ihren
Anforderungen genügt [4]
und in einer mathematischen Formel abgebildet werden kann.
Für eine Ökonomie der Medien-Zeit, die von der These ausgeht, dass Medien
vielschichtige zeitliche Komponenten aufweisen, ist es wahrscheinlich,
dass dieser ‚einfache’ Zeitbegriff nicht ausreicht, um mediale Zeitlichkeiten
adäquat zu erfassen. Die medienökonomische Analyse muss folglich das ‚unmöglich
Scheinende’ [5] wenigstens versuchen und die komplexen Aspekte
der Zeit in ihrer Vielheit umreißen und diese für eine Ökonomie der Medien
handhabbar machen. Aus diesem Grund wird nachfolgend ein Verständnis von
Zeit herausgearbeitet, welches mit den Zeitmodellen der Ökonomie kontrastiert
wird.
2.1 Über das Verständnis von Zeit
»What was God doing before he made heaven and earth? ...
He was preparing hell for those that would pry into such profound mysteries.«
Augustinus [6]
Diese ironische Bemerkung erlaubte sich Augustinus, als er sich mit einem
profunden philosophischen Problem auseinander setzte: Der Zeit.
[7] Man könnte annehmen, dass Zeit sechszehnhundert Jahre nach Augustinus
– als das meistgebrauchte Substantiv der deutschen Sprache [8] – ein wohlverstandener Begriff
sei. Doch die Probleme bei der Definition des Begriffs haben sich von
Augustinus bis heute kaum geändert:
[9] „Was also ist die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß
ich’s; will ich’s aber einem Fragenden erklären, weiß ich’s nicht. Doch
sage ich getrost: Das weiß ich, wenn nichts verginge, gäbe es keine vergangene
Zeit, und wenn nichts käme, keine zukünftige, und wenn nichts wäre, keine
gegenwärtige Zeit.“ [10]
Augustinus konnte nicht ahnen, wie nah er durch seine Ironie an das physikalische
Zeitverständnis des 21. Jahrhunderts gelangt war: Zeit wurde an einem
präzisen Moment – dem Urknall – ‚geboren’. Erst seitdem gibt es ein Vorher
oder Nachher und es erscheint überflüssig zu fragen, was vor der ‚Geburt’
der Zeit beziehungsweise des Universums geschah.
[11]
Lange vor Augustinus hatten sich die griechischen Philosophen bereits
dem Problem der Zeit angenommen.
[12] Am Anfang deren Überlegungen stand meist die Differenz, „...daß
Institutionen und Gewohnheiten entweder Natur (physei) oder der Übereinkunft
(thesei oder nomõ) ihre Entstehung verdankten.“ [13] Diese von Aristoteles übernommene
Einteilung, wurde zum integralen Teil des abendländischen Denkens. [14] Vom rationalistischem Konstruktivismus Descartes
über Kant bis in die heutige Zeit, beruht deshalb eine gängige gesellschaftliche
Hypothese auf der Annahme, dass Zeit eine natürliche, demnach der menschlichen
Erfahrung vorgängige, Erscheinung sei. [15] Gemäß diesem Denken prägte Zeit, in ihrer natürlichen Eigenschaft
als a priori [16]
menschlichen Handelns, die menschliche Wahrnehmung bereits vor
jedweder Erfahrung und ist daher weder erlernbar, noch vom in der Gesellschaft
verfügbaren Wissen abhängig. [17]
Norbert Elias hält diesem Begriff der Zeit entgegen, dass er heute von
einem hohen Verallgemeinerungs- und Syntheseniveau ist, der auf den Zeitmessapparaten
und den Zeiteinteilungen beruht, welche nicht a priori, sondern arbiträr
sind: „Wenn man keinen festen Standard zur Zeitbestimmung von Ereignissen
hat, kann man keinen Zeitbegriff wie den unseren haben.“ [18] Der Zeitbegriff entwickelte sich über Generationen
hinweg mit der Etablierung immer neuer Zeitmaßstäbe, [19] nach welchen sich die Menschen ‚in der Zeit’
orientierten. [20] „Was
man heute als »Zeit« begreift und erlebt, ist eben dies: ein Orientierungsmittel.
[...] Die menschliche Erfahrung dessen, was heute »Zeit« genannt wird,
hat sich in der Vergangenheit verändert und verändert sich in der Gegenwart
weiter, und zwar nicht in einer zufälligen [...] Weise, sondern in einer
strukturierten und gerichteten Weise, die erklärt werden kann.“
[21]
Zeit kann demnach im Sinne Hayeks als Ergebnis menschlichen Handelns,
aber nicht menschlichen Entwurfs definiert werden.
[22] Der Begriff der Zeit, und die ihm zugrunde liegende Vorstellung,
sind das Ergebnis eines endlosen gesellschaftlichen Lernprozesses,
[23] durch den z.B. das Wissen um die Kalenderzeit, die Uhrzeit,
das eigene Alter, die Abstimmung zwischenmenschlichen Handelns etc. zu
einer selten reflektierten Selbstverständlichkeit wurde. [24] Dabei liegt die Zeit in ihrer Ordnung ‚zwischen’
der Natur und der Übereinkunft, da sie gewissermaßen die Natur gewordene
Übereinkunft ist. [25]
Das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Zeit soll, entgegen
den weitverbreiteten dichotomisch verknüpften Zeitkonzepten,
[26] als Dreiheit aus den, in der folgenden Abbildung dargestellten,
Ordnungen verstanden werden:
Abbildung 1 - Die Ordnungen
der Zeit
Zeit wird dementsprechend als die Einheit ihres vorkategorialen Wesens
(u.a. zyklische Wiederkehr von Tag und Nacht), ihrer kategorialen Struktur
(u.a. Uhrzeit, Kalenderzeit, chronometrische Zeit) und der menschlichen,
individuellen Wahrnehmung der Zeit konstituiert.
In diesem Zusammenhang bezeichnet die vorkategoriale Zeit [27] das Unteilbare, die Zeit des Universums. Die vorkategoriale
Zeit ist die reine Dauer, welche an die Dynamik des Universums gebunden
ist. Ihr Anfang ist der Beginn des Universums und ihr Ende ist auch das
Ende des Universums. [28]
Die Dynamik des Universums ist nach unserem Verständnis ein ständiger
Wechsel in Rotationen und Umlaufbahnen. Die zyklischen Jahreszeiten und
Tagesrhythmen gehören ebenso dazu, wie die biologische Zeit jedes Lebewesens.
[29] Dieser Zeit ist ein zyklischer Richtungssinn und damit eine
Unumkehrbarkeit der Zustände eigen. [30]
Gegenüber der unteilbaren reinen Dauer ist die kategoriale Zeit
ein Menge von Zeiteinheiten. Kategoriale Zeit ist immer vermittelt
von Medien der Zeit, beispielsweise der Uhr, welche zur Bildung von zeitlichen
Institutionen, beispielsweise der Uhrzeit, führen. Kategoriale Zeit ermöglicht
somit auch zeitliche Relationen, wie ‚Geschwindigkeit’ oder ‚Beschleunigung’.
Durch sozial institutionalisierte Konstrukte wie Uhrzeit, Kalenderzeit,
Weltzeit versuchen Menschen die Zeit in ihrem Wesen „...zu erreichen,
[...] ohne jemals den Konstruktcharakter durchbrechen zu können.“
[31] Kategoriale Zeitstrukturen entwickeln sich somit aus den über
Generationen entstandenen und erlernbaren Grundstrukturen, mit der die
vorkategoriale Zeit erfasst wird. [32]
Die Zeitform, über welche das Individuum die Welt wahrnimmt, ist die
Individualzeit. In dieser Zeitform wandelt sich immer wieder die
menschliche Übereinkunft zur Natur. [33] Die Individualzeit kann als
Spektrum der Möglichkeiten angesehen werden, wie Individuen mit der Zeit
umgehen. Unter der Annahme, dass die kategoriale Struktur situationsspezifische
Handlungsmöglichkeiten anbietet, sind die Handlungsmöglichkeiten des Individuums
weder auf die Vorgaben der kategorialen Zeit begrenzt, noch vollständig
vorhersehbar. [34] Die individuelle Zeit integriert
die Zeitperspektive und das Zeiterleben,
[35] welche zum eigenen Umgang mit Zeit verwendet werden.
[36]
2.2 Das Zeitverständnis der Ökonomie
„The element of Time...
is the center of the chief difficulty of almost every economic problem.“
Alfred Marshall [37]
Die vorgestellten Fragen und Probleme zur Zeit stehen, wie
bereits angedeutet, einem verhältnismäßig ‚simplen’ (eben unmysteriösen)
ökonomischen Zeitverständnis gegenüber, welches sich auf den objektiven,
chronometrischen Verlauf eines Zeitpfeils reduzieren lässt.
[38] Das zeitliche Konzept der Ökonomie ist auf die Untersuchung
dessen beschränkt, was sie als ‚menschliche’ oder ‚ökonomische’ Zeit bezeichnet.
[39] Gleichzeitig ist das individuelle Zeitverständnis von der fortschreitenden
kategorialen Zeit geprägt, die durch die Uhr und den Kalender konstituiert
wird und sich in sozio-kulturellen Strukturen und Praktiken niederschlägt.
[40] Solange diese Zeitmessgeräte weiterhin den ‚Takt’ vorgeben,
bleibt das Zeitverständnis des wirtschaftenden Individuums, das einer
nicht wiederkehrenden, fortschreitenden und individuell endlichen Zeit.
Die folgende Abbildung stellt das lineare ökonomische Grundverständnis
von Zeit und ihre ökonomischen Variablen dar:
Abbildung 2 - Zeitstrahl
der Ökonomie [41]
Der Zeitstrahl erlaubt die Unterscheidung zwischen den ökonomischen Konzepten
der analytischen Zeit [42] und der perspektivischen
Zeit [43] :
- Die analytische Zeit betrachtet die objektive Dauer (Δt) und
die Einheiten (t0 bis tn) der Zeit als exogene
Faktoren und ermöglicht so statische Analysen (beispielsweise den Preis
zu einem Zeitpunkt t1), komparative Analysen mehrerer Zeitpunkte
(z.B. den Preisunterschied zwischen t1 und t2)
oder dynamische Untersuchungen über eine endliche oder unendliche Serie
von Zeiteinheiten. [44]
- Die perspektivische Zeit geht vom Standpunkt eines Wirtschaftsakteurs
τ aus und führt das Jetzt oder die Gegenwart
[45] ein, wodurch die ökonomische, sequenzierte Zeit von ‚Vorher
– Nachher – Gleichzeitig’ in ‚Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft’ umgewandelt
wird. [46]
Das Konzept der analytischen Zeit konstituiert einen neutralen Beobachter
der wegen des hohen Abstraktionsgrades auf dem Zeitstrahl in beide Richtungen
wandern kann, die Zeit demnach als umkehrbar begreift.
[47] Die perspektivische Zeit der Ökonomie gilt als Handlungsdimension
der Wirtschaftsakteure, in der sie Entscheidungen über die alternativen
Verwendungsmöglichkeiten von Gütern im Hinblick auf eine unsichere Zukunft
treffen. [48] Dieses Konzept integriert demnach die Perspektive des Betrachters,
welcher Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges wahrnimmt
[49] und ist zudem Bestandteil dessen, was oben als Individualzeit
definiert wurde, welche mehr umfasst „...als nur die Tatsache, daß der
Standpunkt des Betrachters jetzt „mitfließt“. Eben weil wir uns auf diesen
Standpunkt begeben, müssen wir auch seine Sicht der Welt bzw. seine Sicht
auf Zeit übernehmen.“ [50]
Aus diesem Grund erscheint es geboten, sich innerhalb einer Ökonomie
der Zeit auch oder gerade mit der individuellen Wahrnehmung der Zeit auseinander
zu setzen. Sucht man in der Ökonomie nach der Wahrnehmung der Zeit, so
dominiert die Wahrnehmung der Zeit als knappes Gut. [51] Waren die bis hierher vorgestellten Zeitformen der Ökonomie
auf eine Ökonomie in der Zeit begrenzt, wird dementsprechend nun
die Möglichkeit untersucht, Zeit als knappes Gut zu definieren und somit
eine Ökonomie der Zeit zu formulieren. Zeit hat dabei eine besondere
ökonomische Eigenschaft: Selbst wenn man unterstellen würde, dass die
Güter nicht mehr knapp seien, bliebe deren Konsum – wie in der eingangs
beschriebenen unendlichen Bibliothek – zeitlich begrenzt. [52] Dementsprechend kann Zeit ökonomisch als ‚in sich’ knapp und
wertvoll angesehen werden. Diese Güterzeit [53] ist durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet: [54]
- Die Zeit für ökonomische Aktivitäten ist auf 24 Stunden und sieben
Tage die Woche begrenzt. Über den Tag hinaus, ist die menschliche Lebensspanne
begrenzt. Niemand kennt seine noch verbleibende Zeit.
- Es ist unmöglich, eine Zeit-Reserve zu bilden, so wie man z.B. Kapital-Reserven
bilden kann.
- Individuen können nur eine sehr begrenzte Anzahl an ökonomischen
Aktivitäten gleichzeitig ausführen.
Die Modellierung der Zeit als ein ökonomisches und damit knappes Gut
bildet die Grundlage ihrer Allokationsfähigkeit.
2.2.1 Die Allokation von Zeit
Das ‚Angebot’ der Zeit ist durch die benannten Restriktionen häufig ‚knapper’
als die ‚Nachfrage’, und es wird zum menschlichen Anliegen, eine optimale
Allokation dieser knappen Zeit zu erreichen, indem das Individuum sie
zwischen alternativen Verwendungsmöglichkeiten aufteilt. Dieses Prinzip
war für die unternehmerische Produktion seit Smith’s Stecknadelbeispiel
bekannt. [55] Die Arbeitswertlehre,
der die klassischen Ökonomen von Adam Smith über David Ricardo und Karl
Marx folgten, verband den Wert eines Gegenstandes mit der in einer Ware
enthaltenen menschlichen Arbeit, gemessen an der Arbeitszeit.
[56] Je höher demnach die Produktionsmenge pro eingesetzter Zeiteinheit
war, desto günstiger war die Herstellung des einzelnen Produktes.
[57] In den 1880er Jahren hatte Frederick W. Taylor die Aufteilung
der Arbeitszeit des Industriekapitalismus unter Einsatz der Stoppuhr und
den Ergebnissen seiner ‚Time Studies’ perfektioniert. [58] Während die Zeit in der ökonomischen Theorie
als Produktionsfaktor ausführliche Beachtung fand, [59] wurde die Zeit außerhalb dessen nur als Kontrast zur Arbeitszeit
verstanden und war somit unproduktive Freizeit. [60] Erst Gary S. Becker rückte das Problem der
knappen Zeit des Konsumenten ins Zentrum des ökonomischen Diskurses. [61] Aufgrund der Tatsache, dass
die ökonomische Entwicklung zu einer steten Verringerung der Arbeitszeit
geführt hat, argumentiert Becker, dass die Effizienz der Nicht-Arbeitszeit
von zunehmend größerer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist. [62]
Beckers Anliegen war es, eine ökonomische Theorie des individuellen Konsums
aufzustellen. Er entwickelte den Haushalts-Produktionsfunktions-Ansatz
[63] , wobei er unterstellt, dass Haushalte nicht nur konsumieren,
sondern ‚kleine Fabriken’ sind, die Investitionsgüter, Rohstoffe, Arbeit
und Zeit nutzenmaximierend in die Produktion nützlicher Güter investieren.
[64] Das nutzenmaximierende Verhalten geschieht auf der Basis stabiler
Präferenzen, [65] welche
über Preise koordiniert werden. Demnach verfügt jedes Individuum nicht
nur über eine maximales Zeitbudget, das es mit höchstmöglichem Nutzen
[66] zu konsumieren gilt, sondern der Nutzen generiert sich aus einem
elementaren Gut [67] ,
welches der Konsument über den Einsatz von Marktgütern UND Zeit produziert.
[68] Beispielsweise stellt eine erworbene Zeitung noch keinen Nutzen
an sich dar. Erst wenn zusätzlich Zeit ‚investiert’ wird, um sie zu lesen,
entsteht der Nutzen des Gutes, wie in der folgenden Zeichnung schematisiert
ist:
Abbildung 3 - Kombination
von Marktgut und Zeit zu elementarem Gut
Das Budget von wirtschaftlichen Akteuren ist dementsprechend nicht mehr
nur durch das Einkommen, sondern auch durch die Kosten der Zeit, dem sogenannten
Schattenpreis [69] begrenzt. [70] Diese monetären und zeitlichen Restriktionen können als Gesamtrestriktion
des Konsums angegeben werden. [71] Um diese gesamte Ressourcenrestriktion ökonomisch
abzubilden, bindet Becker die Kosten der Zeit an das monetäre Einkommen
einer Person. Gemäß der traditionellen Einteilung von Arbeitszeit und
Freizeit würde die Gesamtressourcen-Restriktion dabei dem „vollen Einkommen“
entsprechen, „...wenn die gesamte Zeit und alle anderen Ressourcen des
Haushalts der Erzielung von Einkommen gewidmet würden...“ [72] Diese Modellannahme ermöglicht es, den Wert der Zeit an das
Einkommen des Wirtschaftssubjektes zu koppeln, „...weil Zeit durch monetäres
Einkommen in Güter umgesetzt werden kann.“
[73] Zeit und Geld sind somit absolut austauschbare Komplementärgüter.
[74]
Gary Becker war es damit gelungen, die Zeit als kostenintensive Größe
in die ökonomische Konsumtheorie einzubetten, wodurch ein tieferer Einblick
in den Konsum von Haushalten möglich wurde.
[75]
Der diesen Ausführungen zugrunde gelegte ökonomische Ansatz
[76] Beckers bewegt sich jedoch trotz seiner Innovationskraft
in der Tradition der neoklassischen Gedankenwelt: „Die Annahmen des nutzenmaximierenden
Verhaltens, des Marktgleichgewichts und der Präferenzenstabilität – strikt
und ohne Einschränkungen angewandt - machen zusammen den Kern des ökonomischen
Ansatzes aus...“ [77] Die neoklassische Theorie trifft jedoch auch zur Thematik
der Zeit spezielle restriktive Annahmen, welche nachfolgend problematisiert
werden.
2.2.2 Die Zeit in der Neoklassik
Die neoklassische Theorie wird häufig als „Fels zeitloser Ökonomik“ bezeichnet.
Besonders die neoklassische Allokationstheorie „...kann mit Rücksicht
auf die von ihr [...] unterstellte Datenkonstanz als zeitlose Anpassungsökonomik
charakterisiert werden.“ [78] Die Annahme eines Marktgleichgewichts [79] impliziert, dass „...die Überlebensdauer
der Daten, an die die Anpassung erfolgt, länger währt als die erforderliche
Anpassungszeit.“ [80]
Die Zeit im neoklassischen Modell gilt somit nicht als ‚nicht vorhanden’,
sondern als ‚vernachlässigbar’. [81]
Wie das Markt-Modell, ist auch das Menschenbild der Neoklassik, der homo
oeconomicus, ‚Zeit-los’. Die Annahme stabiler Präferenzen des Wirtschaftssubjektes
bedingt, dass die Marktgüter und die Zeit als Mittel zur Erreichung bestehender
und unveränderlicher Ziele eingesetzt werden.
[82] Dies impliziert allerdings, dass die Entscheidungssubjekte vollkommen
rational [83] sind.
[84] Nur vollständig rationale Individuen können eine optimale Zeitallokation
erreichen. Dieses sogenannte Pareto-Optimum der Zeitverwendung
ist erreicht, wenn es nicht mehr möglich ist, den Ertrag einer zeitlichen
Aktivität durch Veränderung anderer zeitlicher Aktivitäten zu erhöhen.
[85] Abbildung 4 zeigt den individuellen Grenznutzen alternativer
Verwendungsarten der Zeit:
Abbildung 4 - Grenznutzen
der Zeit [86]
Diese optimale Zeiteinteilung besagt jedoch noch nichts über die optimale
Allokation von Ressourcen im Zeitablauf. Um solche temporalen Veränderungen
anzuzeigen, ließe sich das neoklassische Modell anhand des beschriebenen
analytischen Zeitpfeils ‚aufrüsten’,
[87] indem man dessen Variablen mit unterschiedlichen Zeitindizes
versieht und so in ein Zeitraster bettet, auf welches das statische Modell
über verschiedene Perioden – wie in der folgenden Grafik abgebildet –
angewendet wird: [88]
Abbildung 5 - Neoklassisches
Gleichgewichtsmodell und seine Anwendung auf Perioden
[89]
Doch selbst durch diese Umwandlung des statischen Gleichgewichtsmodells
in ein dynamisches, erhält man noch keine Einsicht darüber, welchen Einfluss
die individuellen Zeitkonstrukte auf den Konsum der Zeit haben. Demnach
ist Zeit ein komplexeres Phänomen, als es die restriktiven Annahmen des
neoklassischen Modells zulassen. [90]
Indem Becker in seinem Ansatz die Nichtarbeitszeit automatisch vom ‚Gesamteinkommen’
subtrahiert, könnte man sein Grundverständnis von Zeit auch mit der Aussage
Benjamin Franklins „Time is Money“
[91] zusammenfassen. Damit trifft dieser Ansatz auf die kulturellen
Erwartungen eines materiellen Industriekapitalismus, der Zeit als mathematisierbar
und berechenbar deklariert. Dieser Zusammenhang wird jedoch komplexer,
wenn man der eingangs erwähnten These folgt, dass jede Vorstellung von
Zeit medial vermittelt ist. Die ökonomische Theorie müsste dann nicht
nur ihren materiellen Zeitbegriff aufgeben, [92] sondern sich auch damit auseinandersetzen,
welchem Wandel die Vorstellung von Zeit bei den Wirtschaftsakteuren und
damit ihrer Allokation unterliegt.
[93]
Eine theoretische Grundlage dafür bietet die neue Institutionenökonomik,
die eine flexiblere Betrachtung ökonomischen Handelns erlaubt.
2.2.3 Die Zeit im Neoinstitutionalismus
Beschränkt sich die neoklassische Analyse auf die ökonomischen Konstrukte
der analytischen Zeit und der Güterzeit, integriert der Neoinstitutionalismus
auch die perspektivische Zeit, in welcher der Wirtschaftsakteur eine individuelle
Vorstellung von Zeit hat und sich dementsprechend selbst in Relation zur
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verortet.
Der Kern der Institutionenökonomik besteht darin, die ‚Rahmenbedingungen’,
unter denen wirtschaftliches Handeln stattfindet, zu untersuchen. Diese
Rahmenbedingungen konstituieren sich durch Institutionen,
[94] die im klassischen Institutionalismus als „weitverbreitete Denkgewohnheiten“
[95] dargestellt werden, währenddessen der Neoinstitutionalismus
Institutionen als die vom Menschen erdachten Beschränkungen zur Ordnung
gesellschaftlichen Zusammenlebens definiert, welche sich aus formalen
Beschränkungen (Regeln, Gesetze, Verfassungen) und informalen Beschränkungen
(Verhaltensnormen, Konventionen und selbstauferlegten Verhaltenskodizes)
zusammensetzen. [96]
Innerhalb dieses Theoriegebäudes zeichnet sich die neue Institutionenökonomik
durch einen offeneren und flexibleren Blickwinkel auf die Rationalität
der Wirtschaftsubjekte aus, der auch die Zeit in das ökonomische Modell
integriert: [97]
- Das Entscheidungssubjekt folgt dem methodologischen Individualismus,
nach dem Menschen verschieden sind und deshalb vielfältige und kurzfristig
änderbare Präferenzen, Ziele, Zwecke und Ideen haben.
[98]
- Individuen verhalten sich als opportunistische Nutzenmaximierer [99] innerhalb des vorgegebenen Institutionengefüges. [100] Die Unterscheidung zwischen
Unternehmen oder Konsumenten kann dabei theoretisch entfallen, da die
Nutzenmaximierung für alle individuellen Wahlhandlungen angenommen wird. [101]
- Um real gegebene Bedingungen besser abzubilden, wird von einer unvollkommenen
individuellen Rationalität der Wirtschaftsubjekte ausgegangen.
Im Gegensatz zum vorgestellten Becker-Modell werden „...Präferenzen
der Entscheidungssubjekte als unvollständig und über die Zeit veränderlich
erachtet.“ [102] Dies schließt sich aus der Annahme, dass
aufgrund der unvollständigen Informiertheit der Wirtschaftssubjekte
Asymmetrien [103]
auftreten, die zu Transaktionskosten
[104] führen. [105]
In diesem Sinne kann auch die Zeit nicht mehr aus dem Modell ausgeschlossen
werden, da Entscheidungen zwangsläufig unter unvollkommener Voraussicht [106] in der Zeit abgestimmt werden. [107] Da die Verwendung knapper Ressourcen in
der ökonomischen Theorie dementsprechend häufig auf die Zukunft gerichtetes
Handeln ist, [108]
wird die Prognose in komplexeren ökonomischen Zusammenhängen nicht selten
zum waghalsigen Unterfangen. [109] Zur Reduktion von Transaktionskosten für
die Allokation von Ressourcen dienen insbesondere zeitliche Institutionen
als allgemeine operationale Regeln
[110] für die Koordination des Tausches. Einmal gebildete Institutionen
generieren Pfad-Abhängigkeiten, [111] welche in die Handlungen der Individuen
eingeschrieben sind. Diese Herausbildung von Institutionen und deren Wandel
ist auf der einen Seite zeitabhängig, [112] auf der anderen Seite beeinflussen die Institutionen die
individuellen Vorstellungen von Zeit.
2.3 Die Institutionen der Zeit
»Throughout history, institutions have been devised by
human beings to create order and reduce uncertainty in exchange ...
They evolve incrementally, connecting the past with
the present and the future ...«
Douglass C. North [113]
Die Institutionen der Zeit, welche ihrerseits zu den Institutionen des
Marktes gehören, sind Erwartungshaltungen, die aus der unendlichen Menge
möglicher temporaler Erwartungen hervorgehen. Die Zeit wurde bereits als
eine Trias aus vorkategorialer, kategorialer und individueller Zeit beschrieben.
Diese Zeitkonzepte sind geprägt durch formale und informale Institutionen, [114] welche in fundamentale, nicht rational
planbare Institutionen und abgeleitete sekundäre, rational planbare Institutionen
differenziert werden. [115]
Diese Unterscheidung deckt sich mit den oben bereits erwähnten rational
planbaren Ordnungen und den nicht rational gestaltbaren Ordnungen. Als
fundamentale zeitliche Institutionen werden die Konzepte von Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft begriffen, aus denen sich sekundäre Institutionen,
wie beispielsweise die Kalenderzeit, die Uhrzeit oder die Weltzeit ableiten
und daraus wiederum die sozialen Institutionen der Arbeitszeit und Freizeit
[116] oder Pünktlichkeit. [117] In diese Institutionen, die kurz in der
folgenden Abbildung dargestellt sind, betten sich alle individuellen Zeitwahrnehmungen
ein.
Abbildung 6 - Fundamentale
und sekundäre Institutionen der Zeit
[118]
In Anlehnung an Harold Innis bilden diese Institutionen die Tradeways
of Time, die nicht anders beschrieben werden können, als es die menschlichen
Tradeways of Mind zulassen.
[119] Um die Pfadabhängigkeiten der wirtschaftlichen Zeit zu verdeutlichen,
wird im folgenden deren Ursprung rekonstruiert. [120]
Wie gesehen, sprechen sowohl Aristoteles (384-322 v. Chr.) und ca. 750
Jahre später Augustinus vom Vergangenen, dem Kommenden und dem Jetzt.
Problematisch bei dieser Differenzierung erwies sich jedoch schon immer
das „Jetzt“, da es theoretisch keine Ausdehnung hat. Folglich kann es
eine Gegenwart im strengen Sinne (strict present) nicht geben,
da sie eine ideale Abstraktion ist. Die scheinbare Gegenwart (specious
present) hingegen ist zwangsläufig eine zeitliche Dauer, [121] die wahrgenommen werden kann und von der
man in zwei verschiedene Richtungen in die Zeit blickt: [122] In die Vergangenheit und in die Zukunft.
Die Vergangenheit ist das komplexeste Bezugsystem, auf das sich
menschliches Handeln stützen kann. Individuelle Erfahrungen werden zur
Abwägung von Entscheidungen herangezogen, indem das Wissen über die Vergangenheit
zur Orientierung und Identitätsstiftung der Gestaltung des Jetzt genutzt
wird. [123]
Der Blick in die Zukunft ist zwangsläufig unmöglich. Dennoch bildet
sie ein wichtiges Bezugssystem menschlichen Handelns, da zukunftsbezogene
Erwartungen, Zielsetzungen, Planungen, Prognosen, Hoffnungen, Wünsche
und Ängste bei jeder Entscheidung eine Rolle spielen.
[124]
Festzuhalten bleibt, dass die Konzepte der Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft fundamentale Institutionen sind, deren Vorfindlichkeit nach menschlichem
Ermessen nicht anzweifelbar ist. Jedoch erschließt sich der Sinn dieser
zeitlichen Konzepte eben nur in Bezug auf erlebende Menschen.
[125] Und diese geben wiederum ihren Handlungen nur in ihren Bezügen
auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Sinn. Auf der Basis dieser
Sinnzusammenhänge entwickelt sich das, was im folgenden als Sekundärinstitutionen
der Zeit bezeichnet wird, wie z.B. die Uhrzeit, die Kalenderzeit, die
Weltzeit oder die Pünktlichkeit. Die Entwicklung dieser Institutionen
lässt sich im wirtschaftlichen Kontext anhand der von North
[126] ausgemachten Phasen der Wirtschaftsgeschichte nachzeichnen.
In einfachen Gesellschaftsformen, von den „Jägern und Sammlern“ bis zu
Dorfgemeinschaften, herrschte ein hohes Maß an interpersonaler Koordination,
wodurch komplexe zeitliche Bezugsysteme noch nicht erforderlich waren. [127] Die, über die natürlichen Rhythmen von
Tag und Nacht und den Jahreszeiten hinausgehenden, zeitlichen Bezugssysteme
bestanden zunächst aus Priestern oder Medizinmännern, die verbindliche
Zeiten für ‚wirtschaftliches’ Handeln, wie die Aussaat und Ernte [128] oder die Feiertage vorgaben. [129] In den ersten dorfübergreifenden Märkten,
die North als Basar-Ökonomien
[130] bezeichnet, übernahmen häufig ‚religiöse Institutionen’ die
Koordination der Akteure. So entwickelten die Priester in Ägypten und
Babylonien die ersten Uhren und Kalender, [131] die im Christentum in Klöstern [132] und durch den Vatikan weiter perfektioniert
wurden. [133] Später
koordinierten Kirchturmuhren z.B. die Marktzeiten, und die Gottesdienste
gaben einen täglichen bzw. wöchentlichen Lebensrhythmus vor.
[134] Die Entwicklung des Fernhandels führte zu einer Neustrukturierung
des Wirtschaftens. Die Koordination von weit entfernten Märkten ließ Handelszentren
entstehen und förderte die arbeitsteilige Organisation der Gesellschaft,
wodurch neue Mittel der Koordination des Wirtschaftens über weite Entfernungen
benötigt wurden. So führte die Suche und Entdeckung des Längengrades zur
Gründung der astronomischen Observatorien, in denen die genaue Zeit im
Sternendurchgang ‚vermessen’ wurde, sowie zur Konstruktion der ersten
zuverlässigen transportablen Uhren. [135] Die weiter zunehmende Handelsschifffahrt,
das Aufkommen der Eisenbahn und des Telegrafen mündeten in der Einführung
der Weltzeit. [136]
Durch die fortschreitende Arbeitsteilung der Gesellschaft, setzte sich
mit der beginnenden Massenproduktion von Taschenuhren [137] schließlich die private
Uhr gegenüber den öffentlichen und religiösen Zeitgebern durch. [138] Die Orientierung an der genauen Zeit und
das Ideal der Pünktlichkeit wurde zum gesellschaftlichen Konzept. [139] Die Stoppuhr Frederick W. Taylors, die
Stechuhr der Arbeitszeitkontrolle
[140] und schließlich die zeitliche Durchplanung der familiären Haushaltsführung
[141] verwandelten die Uhr zur prägendsten Institution des 19. und
20. Jahrhunderts. [142]
Bis heute steht die Uhr stellvertretend für den Zeitbegriff, über den
sich die heutige Gesellschaft organisiert.
[143] Dabei wurde das mechanische Zeitalter der Industrialisierung
längst verlassen und die Zeitmessung weit über die Möglichkeiten der Mechanik
hinaus perfektioniert. [144] Die komplexe Abstraktion der Aufteilung
der Zeit in Stunden, Tage, Wochen, Jahre etc. ist das Ergebnis, der hier
skizzierten, generationsübergreifenden Entwicklungsvorgänge. [145]
Das kategoriale Bezugsystem, welches durch Uhr und Kalender geschaffen
wurde, erlaubt es, die vorkategoriale Zeit für die gesellschaftliche Koordination
handhabbar zu machen. Die Ökonomik nutzt diese Abstraktion in ihren Modellen
der abstrakten oder perspektivischen Zeit und versucht auf der Grundlage
dieses Verständnisses zu ermitteln, warum Individuen (Güter-) Zeit für
etwas aufwenden. Die Messung und Bewertung der aufgewendeten Dauer ist
vermittelt durch die Institutionen der Zeit, welche den Rahmen für einen
individuellen Zeitbezug darstellen. Bei den vorgestellten Institutionen
handelt es sich um ausreichend formalisierte Zeitgeber, die als feste
gesellschaftliche Größe der Zeit angenommen wurden und so das gesellschaftliche
Bild von Zeit nachhaltig geprägt haben.
Auf diesen Institutionen baut auch der individuelle Umgang mit Medien
und deren Nutzung auf, da Medien ebenfalls menschliche Konstrukte sind.
Jedoch haben Medien ihre eigenen Zeitlichkeiten, welche ebenfalls Einfluss
auf wirtschaftliche Entscheidungen nehmen. Diese vielfältige Medien-Zeit
wird im folgenden beschrieben.
[1] Sharp, Clifford (1981): S. 1
[2] Sharp, Clifford (1981): S. 1f
[3] „Ökonomische Fragestellungen, für die die Zeit
unwesentlich ist, können ohne weiteres zeitlos behandelt werden.“ Helmstädter,
Ernst (1995): S. 33
[4] „A simple conception of time per se – a human
and social conception – is adequate in describing economic behavior and
our analysis of it.“ Winston, Gordon C. (1982) “And for our purposes there
is the much more limited and comprehansible concept, that we may call
human time or economic time.” Sharp, Clifford (1981): S. 2
[5] „It may therefore seem an impossible task to try
to link the still unsolved mystery of time to the practical issues of
economics.” Sharp, Clifford (1981): S. 2
[6] Zitiert nach Eco, Umberto (1999): S. 10
[7] Vgl. Eco, Umberto (1999): S. 10
[8] Vgl. Aichelburg, Peter C. [Hrsg.] (1988): S. 1
[9] Die Vielzahl der unterschiedlichsten wissenschaftlichen
Zugänge hat sogar eher dazu geführt, dass eine Abhandlung der Zeit heutzutage
zwangsläufig unvollständig sein muss, und dass eine einheitliche Definition
der Zeit kaum noch erfolgen kann. Vgl. Aichelburg, Peter C. [Hrsg.] (1988):
S. 1. Zur Übersicht exemplarischer Befunde verschiedener Wissenschaftsdisziplinen.
Vgl. Steininger, Christian (2002): S. 37
[10] Augustinus (1982) : S.42
[11] Da Ereignisse vor dem Urknall keine Konsequenzen
haben, werden sie aus dem physikalischen Zeit-Modell ausgeklammert und
festgestellt, dass „...die Zeit mit dem Urknall begann.“ Hawking, Stephen
(1991): S. 68
[12] Für die griechischen Philosophen war die Frage
nach der Identität der sich in der Zeit ändernden Dinge der Ausgangspunkt,
der in der Spaltung der Philosophen über die Differenz zwischen Permanenz
und Änderung bzw. „Sein“ und „Werden“ endete. Auf der einen Seite die
Lehre des Heraklit (550-480 v. Chr.), der den ständigen Wandel als einzige
Wirklichkeit sah und auf der anderen die Lehren des Paramides (540-470
v. Chr.) und seinem Schüler Zenon (490-430 v. Chr.), denen das Permanente
als eigentliche Wirklichkeit und der Wandel als Scheinbar erschien (wie
in den Zenon’schen Paradoxen der Zeit dargestellt). Vgl. Aichelburg, Peter
[Hrsg.] (1998): S. 2
[13] Hayek, Friedrich A. von (1967): S. 97
[14] Vgl. Hayek, Friedrich A. von (1967):
S. 97
[15] Vgl. Elias, Norbert (1984): S. 3
[16] „Zeit ist kein empirischer Begriff, der irgend
von einer Erfahrung abgezogen worden. Denn das Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen
würde selbst nicht in die Wahrnehmung kommen, wenn die Vorstellung der
Zeit nicht a priori zugrunde läge.“ Kant, Immanuel (1986):
S. 58
[17] Vgl. Elias, Norbert (1984): S. 3
[18] Elias, Norbert (1984): S. 5
[19] Bereits Aristoteles verknüpfte die Zeit mit
der Zahl: „So ist auch hier das Jetzt als das, was gerade gegenwärtig
ist, dasselbe: es scheidet in Bewegung das Früher und Später. Aber sein
Sein ist immer verschieden, denn das Jetzt ist ja das Früher und Später
insofern, als es abzählbar ist <also gleichsam nummeriert ist>.“
Aristoteles (1956): S. 15. Dieses Prinzip der linearen, sukzessiven und
messbaren Zeit wurde nachfolgend immer wieder aufgegriffen und durch Newtons
Konzept der absoluten Zeit, die nach einem ‚Uhrwerk’ im Universum ablief,
geprägt. Erst Einstein, der Zeit nicht mehr als absolut, sondern immer
abhängig vom Bezugsystem sah, veränderte diesen Zeitbegriff nachhaltig.
Vgl. Elias, Norbert (1984): S. 4
[20] Die Vorstellung, dass Zeit von jeher in der
heutigen Form wahrgenommen wurde, widerspricht einer Fülle von Tatsachenbeobachtung
aus Vergangenheit und Gegenwart: Die Festlegung eines Zeitbegriffs
erweist sich bereits innerhalb einer Kultur problematisch. Wesentlich
komplexer wird es, wenn man den Zeitbegriff und die Zeitmeßmethoden anderer
Kulturräume in die Betrachtung integriert. So geht z.B. der Zeitbegriff
der Aborighinis davon aus, dass Zeit nicht ‚ist’, sondern erst – wie alle
Entitäten des wahrnehmbaren Lebens – durch die Gesänge der ‚Ancistors’
ins ‚Dasein’ gesungen wird. Vgl. Chatwin, Bruce (1987): S. 13. Eine der
ausgefallensten Methoden der Zeitmessung war die chinesische Räucherwerksuhr,
die mit einem ausgefeilten System von Düften die Zeit ‚anzeigte’. Vgl.
Levine, Robert (1999): S.93 Zur Vertiefung der verschiedenen kulturellen
Implikationen der Zeit siehe außerdem: Levine, Robert (1999), Dux, Günter
(1998) und Hinz, Arnold (2000)
[21] Elias, Norbert (1984): S. 2
[22] Vgl. Hayek, Friedrich A. von (1967)
[23] Vgl. Elias, Norbert (1984): S. XII
[24] Vgl. Elias, Norbert (1984): S. XII und S. 6f,
sowie Kirchmann, Kay (1998): S. 78
[25] Hayek plädiert für die Einführung einer gesonderten
mittleren Kategorie, „...die alle jene ungeplanten Ordnungen (patterns)
und Regelmäßigkeiten umfaßt, deren Existenz wir im menschlichen Zusammenleben
feststellen und deren Erklärung die Aufgabe der Sozialtheorie ist.“ Hayek,
Friedrich A. von (1967): S. 98. Dass es diese ‚mittlere Kategorie’ im
abendländischem Denken nicht gab, könnte eine Erklärung dafür sein, dass
über einen so langen Zeitraum eine solche Vielzahl von Ansätzen über das
Zeitverständnis entstanden sind und trotzdem keine einheitliche Definition
gefunden werden konnte.
[26] Wie beispielsweise „Ich“-Zeit – „Welt“-Zeit
oder „physikalische“ Zeit – „soziale“ Zeit, etc.; zu den divergierenden
Zeitbegriffen siehe Kirchmann, Kay (1998): S. 72
[27] Vgl. u.a. Dux, Günter (1998) und Kirchmann,
Kay (1998)
[28] Vgl. Hawking, Stephen (1991): S. 64
[29] Vgl. Dux, Günter (1998): S. 38. Diese auch biologische
Zeit von Lebewesen stellt die, von der Chronobiologie untersuchte, ‚innere’
Uhr dar. Alle Lebewesen folgen augenscheinlich einem inneren zeitlichen
Rhythmus, auch wenn ihnen alle Bezugsgrößen der Zeit genommen werden.
Vgl. Hinz, Arnold (2000): S. 13
[30] Vgl. Dux, Günter (1998): S. 37
[31] Dux, Günter (1998): S. 38f
[32] Vgl. Dux, Günter (1998): S. 29
[33] „Der Mensch ist Teil der Natur. Indem er sich
vermöge des Konstruktes der Zeit Zugang zu ihrer Dynamik verschafft, bildet
er eine zeitlich organisierte Lebensform aus, die er sich als Lebensform
»einbildet«. [...] Das Konstrukt wird selbst real.“ Dux, Günter (1998):
S. 39
[34] Vgl. Dux, Günter (1998): S. 54
[35] Zeitperspektive bezeichnet die Bezogenheit eines
Individuums auf Vergangenheit und Zukunft. Zeiterleben bezeichnet das
Empfinden der Zeit, d.h. die Langeweile oder das ‚schnelle’ Vergehen der
Zeit. Vgl. Hinz, Anold (2000): S. 9f
[36] Auch Phänomene, wie Eigenzeit, psychische oder
subjektive Zeitwahrnehmung, fallen unter diese Einteilung. In der subjektiven
Zeit schließt sich wiederum der Kreis zur vorkategorialen Zeit. Bereits
Augustinus bemerkte, dass es eine nichtmetrische Zeit gibt, die sich in
der menschlichen Erinnerung formiert. Individuen beschreiben diese Zeit,
wenn sie von Langeweile oder zu schnell vergehender Zeit sprechen. Henri
Bergson hat später dieses Konzept aufgenommen und unterscheidet die Zeit
in die reine Dauer (durée) und die abstrakte Zeit (temps). In der entwickelten
dreiteiligen Klassifikation gibt es nach diesem Konzept zwei Dauern, die
innere durée des Individuums und die äußere des Universums. Vgl. auch
Eco, Umberto (1999): S. 12
[37] Zitiert nach: Winston, Gordon C. (1982): S.
3
[38] „Time in economics is a simple unidirectional
linear flow, exogenous to the economic actors – even a Newtonian absolute
time serves us nicely, as if a cosmic clock ticked away somewhere.” Winston,
Gordon C. (1982): S. 13
[39] „And for our purposes there is the much more
limited and comprehansible concept that we may call human or economic
time. This is the time that human beeings have at their disposal and that
must be allocated between alternative activities.” Sharp, Clifford (1981):
S. 2
[40] Vgl. Kirchmann, Kay (1998): S. 78
[41] In Anlehnung an Kuhn, Thomas / Mauer, Andrea
(1995): S. 134
[42] „Analytical Time, then discribes the way time
is devided up and over what duration those divisions are of analytical
interest to the economic problem.” Winston, Gordon C. (1982): S. 14
[43] „Perspective time puts an economic actor into
time and describes his behavior as it is influenced by his temporal position...“
Winston, Gordon C. (1982): S. 15
[44] Diese Zeit lehnt sich an Newtons Konzept der
absoluten Zeit an und ist Modellzeit im strengsten Sinne, denn es spielt
keine Rolle, ob sie vorwärts oder rückwärts läuft. Andere Autoren nennen
sie logische Zeit oder t-Zeit. Vgl. Helmstädter, Ernst (1995): S. 36 und
Vgl. Winston, Gordon C. (1982): S. 14
[45] Shackle nennt diesen Punkt den „moment-in-being”:„The
moment-in-being rolls, as it were, along the calendar-axis, and thus ever
transports us willy-nilly to fresh temporal viewpoints.” Shackle, George
L.S. (1958): S. 15
[46] Vgl. Winston, Gordon C. (1982): S. 15
[47] Vgl. Winston, Gordon C. (1982): S. 15
[48] “Ökonomische Entscheidungen müssen [...] immer
unter Unsicherheit [...] getroffen werden. Hierin liegt das fundamentale
Zeitproblem ökonomischen Handelns.“ Vgl. Dietl, Helmut (1993): S. 31
[49] Vgl. Winston, Gordon C. (1982): S. 15
[50] Das bedeutet, dass immer der aktuelle Zeitbegriff
der Gesellschaft eine Rolle spielt. So ist davon auszugehen, dass ein
Wirtschaftsakteur um 1900 andere Annahmen über ‚seine zeitliche Lage’
trifft, als ein Wirtschaftsakteur im Jahr 2002. Vgl. Hüpen, Rolf (1995):
S. 51f
[51] Linder vertritt die These, die als ‚Linder-Axiom’
bekannt wurde, dass über die Optimierung der Produktionszeiten auch die
Freizeit als immer knapper wahrgenommen wird, da sie denselben Effizienzkriterien
unterzogen wird, wie die Produktivität der Arbeitszeit: „Wirtschaftliches
Wachstum bedingt also eine allgemeine Verknappung von Zeit.“ Vgl. Linder,
Staffan B. (1972): S. 14
[52] Vgl. u.a. Linder, Staffan B. (1972): S. 12;
Biervert, Bernd / Held, Martin [Hrsg.] (1995): S. 11; Roberts, Marc J.
(1973): S. 646
[53] „Der Begriff Güterzeit bezeichnet ein Konzept,
Zeit in der ökonomischen Theorie als ein knappes Gut zu modellieren und
ihre optimale Allokation auf konkurrierende Verwendungszwecke zu analysieren.“
Kuhn, Thomas / Mauer, Andrea (1995): S. 134
[54] Sharp nennt dies die drei Zeit-Restriktionen
(time-contraints). Die folgenden Punkte sind aus Sharp, Clifford
(1981): S. 2 und Linder, Staffan B. (1972): S. 11f zusammengesetzt.
[55] Adam Smith hatte bereits 1776 das Paradebeispiel
für die Zeitökonomie des Industriekapitalismus aufgestellt. Die Arbeitsteilung
in der Fabrik beruhte auf dem Vorteil, dass durch die Spezialisierung
auf einen Arbeitsschritt die produzierte Stückzahl in einer Zeiteinheit
anstieg, wodurch sich das Produkt vergünstigte und auf dem Markt konkurrenzfähiger
wurde. Die arbeitsteilige Wertschöpfung wurde seit Smith mit dem Faktor
Zeit in Verbindung gebracht. Vgl. Rinderspacher, Jürgen P. (1989):
S. 97f
[56] Vgl. Rinderspacher, Jürgen P. (1989):
S. 98
[57] „Diese Botschaft der Arbeitswertlehre läßt sich
etwas verkürzt darin zusammenfassen, daß die Wirtschaft so zu organisieren
sei, daß der zeitliche Input der Faktoren bei der Herstellung der Waren,
besonders aber der Arbeitskraft, möglichst klein zu halten sei.“ Rinderspacher,
Jürgen P. (1989): S. 98
[58] „Dabei wurden alle Handgriffe mit Stoppuhren
gemessen, die Arbeitskosten kalkuliert und Normen für das Verhältnis zwischen
Lohn und Arbeit aufgestellt.“ Borst, Arno (1990): S. 100
[59] Vgl. Winston, Gordon C. (1982): S. 15
[60] Auch „Muße“-Zeit nach Becker, Gary S. (1982):
S. 99; vgl. auch Kuhn, Thomas / Mauer, Andrea (1995): S. 137
[61] Eine Theorie der Allokation der Zeit.
Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 97-130. Vorarbeit dazu leistete sowohl
Roy Harrod, der bereits 1958 das Problem der Zeitknappheit beim Konsumenten
ansprach, wie auch Studien Jacob Mincers, eines Arbeitskollegen Gary Beckers.
Vgl. Linder, Staffan B. (1972): S. 20 und Becker, Gary S. (1982): S. 99
[62] Die Arbeitswoche war 1965 in den meisten Ländern
bereits unter 50 Stunden gefallen, d.h. unter 1/3 der gesamt verfügbaren
Zeit. Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 97
[63] Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 152
[64] Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 101
[65] Dies sind grundlegende Wahlobjekte des Lebens,
wie Gesundheit, Prestige, Sinnenfreuden, Wohlwollen, Neid, welche unter
Aufwand von Marktgütern und –leistungen, Zeit und anderen Faktoren „produziert“
werden. Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 4
[66] Die traditionelle Ansicht, dass der Nutzen im
Konsum an sich liegt, also im Austausch von Geld gegen Markgütern oder
Dienstleistungen besteht, „...wirft kein Licht auf die Frage, ob der Nutzen
aus dem Erwerb, aus dem Besitz oder aus dem Gebrauch der gekauften Sache
abgeleitet wird.“ Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 153
[67] Becker definiert diese elementaren Güter (commodities)
nicht exakt, grenzt sie aber von den Marktgütern (goods) ab. In der Tradition
von Jeremy Benthams „elementaren Freuden“ geht er davon aus, dass diese
Freuden teilweise durch am Markt erworbene Güter „produziert“ werden.
Als Beispiel dient ihm der Schlaf, welchen er als elementares Gut abhängig
von den Marktgütern Bett, Haus, etc. und der Zeit als Input abhängig macht.
Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 100 und 153
[68] „Es wird angenommen, daß die Haushalte Zeit
und Güter kombinieren, um elementare Güter zu produzieren, die unmittelbar
in ihre Nutzenfunktion eingehen.“ Becker, Gary S. (1982): S. 100
[69] Der Preis der Zeit, den man beispielsweise für
das Lesen der Zeitung ‚zahlen’ muss, misst sich am Schattenpreis der aufgewendeten
Zeit. Diese Schattenpreise stellen die Opportunitätskosten einer wirtschaftlichen
Entscheidung dar. Der Gesamtpreis des vom Haushalt produzierten Gutes
‚Informationen durch Zeitungslesen’ bemisst sich demnach aus der Summe
der Kosten des Marktgutes Zeitung und den Opportunitätskosten der Zeit
des Zeitungslesens.
[70] Diese Begrenzung ist im wirtschaftlichen Sinne
sogar elementarer als die monetäre Restriktion anzusehen, denn im Gegensatz
zu finanziellen Mitteln ist die Zeit der Wirtschaftsakteure wie oben beschrieben
immer begrenzt: „Time constrains human activity more firmly than does
money since it inevitably passes and subjects everyone to its passage.“
Lash, Scott / Urry, John (1994): S. 226
[71] Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 103
[72] Becker, Gary S. (1982): S. 104. Becker gesteht
seinem ‚Modellmenschen’ zu, dass er Zeit zur Regeneration aufwenden muss:
„Natürlich würde gewöhnlich nicht die ganze Zeit „bei der“ Arbeit verbracht;
Schlaf, Nahrung, sogar Muße sind notwendige Voraussetzungen für Effizienz,
und eine gewisse Zeit müßte ebenso wie andere Aktivitäten eingesetzt werden,
um das monetäre Einkommen zu maximieren.“ Becker, Gary S. (1982): S. 104
[73] Becker, Gary S. (1982): S. 104
[74] „Preise, seien dies die Geldpreise des Marktsektors
oder die unterstellten „Schatten“-Preise des Nicht-Marktbereiches, messen
die Opportunitätskosten des Einsatzes knapper Ressourcen, und der ökonomische
Ansatz macht für die Reaktion auf „Schattenpreise“ die gleichen Vorraussagen
wie für die Reaktion auf Marktpreise.“ Becker, Gary S. (1982): S. 5
[75] Vgl. Kuhn, Thomas / Mauer, Andrea (1995):
S. 143
[76] Der ökonomische Ansatz versucht menschliches
Verhalten unter verschiedensten Umständen und Situationsbedingungen zu
erklären. Er unterstellt den Wirtschaftsakteuren – Individuen, Unternehmen,
Nationen – nutzenmaximierendes Verhalten und stabile Präferenzen, deren
Handlungen über Märkte koordiniert und in Einklang (ins Gleichgewicht)
gebracht werden. Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 3f
[77] Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 6
[78] Helmstädter, Ernst (1995): S. 35
[79] Die Neoklassik geht davon aus, dass Angebot
und Nachfrage den Preis regeln und damit ein Gleichgewicht erreicht wird.
Vgl. Varian, Hal R. (1999): S. 293
[80] Vgl. Helmstädter, Ernst (1995): S. 35
[81] Sie gilt demnach als eine exogene Variable,
was damit zu begründen ist, : „...daß es sehr viele ökonomische Fragestellungen
gibt, deren Lösung nicht in kritischer Weise vom Zeitbedarf oder dem Zeitablauf...“
abhängen Helmstädter, Ernst (1995): S. 34
[82] Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996):
S. 500
[83] „Ein völlig rationales Individuum hat die Fähigkeit,
alles vorherzusehen, was geschehen könnte, und die möglichen Vorgehensweisen
gegeneinander abzuwägen und sich zwischen ihnen optimal zu entscheiden,
und zwar augenblicklich und kostenlos.“ Kreps (1990), zitiert in Richter,
Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 4
[84] „Wenn Präferenzen über die Zeit stabil sein
sollen, obwohl periodisch neue Güter auf den Markt kommen, so müssen die
Entscheidungssubjekte im System „vollständig rational“ sein.“ Richter,
Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 502
[85] Das Zeitbudget ist dementsprechend optimal eingeteilt,
wenn der Grenznutzen der Zeit auf allen Ausgabesektoren gleich ist. Vgl.
Linder, Staffan B. (1972): S. 13 und Helmstädter, Ernst (1995): S. 39
[86] Helmstädter, Ernst (1995): S. 38. Die Darstellung
verdeutlicht die Abstraktion mit der Zeit in der neoklassischen Theorie
behandelt wird. Vereinfacht gedeutet kann man sie wie folgt lesen: Auf
den drei Ordinaten ist der linear abfallende Grenznutzen der Zeit bei
Verwendung auf Marktgut A, B oder C abgetragen. Die dünnen Grenznutzenlinien
werden in der Abzissenrichtung verschoben (□-Punkte). Der rechte
Rand des verfügbaren Zeitbudgets wird zum Schnittpunkt mit der dritten
dick ausgezogenen Grenznutzenlinie gebracht und der Schnittpunkt mit der
ersten Ordinate verbunden, wodurch man die optimale Zeiteinteilung erhält
(○-Punkte). Vgl. Helmstädter, Ernst (1995): S. 39
[87] Autoren, wie Ernst Helmstädter oder L.A. Boland
weisen darauf hin, dass die neoklassische Theorie durchaus geeignet sei,
die optimalen Einteilung eines Zeitbudgets zu errechnen. Vgl. Helmstädter,
Ernst (1995): S. 37-39 und Boland, L.A. (1988): S. 102
[88] Becker versucht dies im Abschnitt: Die Allokation
von Zeit und Gütern im Zeitablauf. Vgl. Becker, Gary S. (1982): S.
130-145. Diese Mehrperiodenfunktion, wäre aber formal wiederum nur stabil,
wenn jemand schwerwiegende Veränderungen in seiner Zukunft richtig ‚vorhersehen’
würde, beispielsweise eine Verletzung, was wiederum eine Präferenzverschiebung
zu Gunsten des elementaren Gutes ‚Gesundheit’ zur Folge hätte und somit
Beckers Grundannahmen sprengen würde, da gerade Präferenzänderungen ausgeschlossen
wurden. Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 501
[89] Quelle des einzelnen Marktgleichgewichts-Modells:
In Anlehnung an Varian, Hal R. (1999): S. 292. „Ein Gleichgewichts
[p*] liegt dann vor, wenn bei diesem Preis die Menge, welche die Leute
anbieten wollen, gleich der Menge die Leute nachfragen wollen [q*].“ Varian,
Hal R. (1999): S. 293
[90] In der Tat sind die Annahmen der orthodoxen
neoklassischen Theorie so restriktiv, dass sie das Ergebnis gewisser Maßen
voraussetzen: „In einem Allgemeinen Gleichgewichtsmodell vom neoklassischem
Typus ist das Optimierungsproblem klar erkennbar, und man kann von den
genau spezifizierten Daten und Ausgangsbedingungen des Systems glattweg
zur Bestimmung der Pareto-optimalen Lösung fortschreiten. Praktisch ist
also das, was wir für die Lösung brauchen, von Anfang an bekannt.“ Vgl.
Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 495
[91] „Remember that TIME is Money. He that can earn
Ten Shillings a Day by his Labour, and goes abroad, or sits idle one half
of that Day, tho’ he spends but Sixpence during his Diversion or Idleness,
ought not to reckon That the only Expence; he has really spent or rather
thrown away Five Shillings besides.” Benjamin Franklin 1748 zitiert nach
Biervert, Bernd / Held, Martin [Hrsg.] (1995): S. 7
[92] „Eine ökonomische Theorie, die der Kreativität,
dem Neuen und damit der Zeit gerecht werden will, muß Klarheit darüber
haben, daß Gegenstand wirtschaftlicher Entscheidungen keine objektiven
Tatbestände im engeren Sinne sein können.“ Dietl, Helmut (1993): S. 27
[93] „Die Wirtschaftstheorie mit ihrem statischen
Ansatz ist, was das Zeitproblem betrifft, bisher nur von begrenztem Nutzen
gewesen.“ Innis, Harold A. (1991): S. 132
[94] Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996):
S. 1 „Man ist zwar auf seinem Ausflug in die neoklassische Gleichgewichtstheorie
zwar allseits von Tauschprozessen umgeben, doch die Frage, wer dafür sorgt,
daß die Verpflichtungen eingehalten, vereinbarte Preise bezahlt und wodurch
Vereinbarungen überhaupt erst möglich werden, wird weder gestellt noch
beantwortet. [...] Tauschprozesse werden durch Sprache, Geld, Verfügungsrechte
und andere Institutionen ermöglicht.“ Dietl, Helmut (1993): S. 33
[95] Vgl. Veblen, Thorstein (1986): S. 186
[96] Vgl. North, Douglass C. (1994): S. 360
[97] „The analytical framework is a modification
of neoclassical theory. What it retains is the fundamental assumption
of scarcity and hence competition and the analytical tools of microeconomic
theory. What it modifies is the rationality assumption. What it adds is
the dimension of time.” North, Douglass C. (1994): S. 359
[98] Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996):
S. 503
[99] Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996):
S. 5
[100] Institutionengefüge (institutional matrix,
institutional framework) stellen das aus mehreren Institutionen bestehende
Umfeld dar, welches ‚die Spielregeln’ für das Verhalten eines Nutzenmaximiers
vorgibt. Vgl. North, Douglass C. (1994): S. 361
[101] Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G.
(1996): S. 3
[102] Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996):
S. 4
[103] Asymmetrische Information treten immer dann
auf, wenn ein Agent (Auftragnehmer) einen Informationsvorsprung vor einem
Prinzipal (Auftraggeber) hat. Vgl. weiterführend Richter, Rudolf / Furubotn,
Eirik G. (1996): S. 273ff
[104] Transaktionskosten sind die Kosten zur Benutzung
eines Wirtschaftssystems, insbesondere die Kosten zur Benutzung eines
Marktes. Diese entstehen hauptsächlich aus der Annahme von Reibungsverlusten
am Markt, für deren Minimierung Zeit und Mittel investiert werden müssen.
Transaktionskosten kann man in sechs Transaktionskostentätigkeiten unterteilen:
Suche, Inspektion, Vertragsabschluss, Erfüllung, Überwachung, Durchsetzung.
Vgl. u.a. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 9 und 292
[105] Zu den Budget- und Zeitrestriktionen gesellt
sich nun auch eine Informationsrestriktion.
[106] Im Sinne der Transaktionskosten ist es schlichtweg
zu teuer bzw. unmöglich herauszufinden, was in der Zukunft passiert. Vgl.
Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 195
[107] „Verhalten in einer Welt mit Friktionen kann
sehr unterschiedlich sein, weil die einzelnen Akteure sowohl die Gegenwart
als auch die Zukunft unterschiedlich sehen.“ Richter, Rudolf / Furubotn,
Eirik G. (1996): S. 492
[108] Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G.
(1996): S. 496
[109] „Die Freiheit bei der Zuordnung knapper Mittel
auf zukünftige Ziele zerstört alle Ambitionen theoretischer Prognosemodelle.
Die Zukunft ist offen.“ Dietl, Helmut (1993): S. 30
[110] Man unterscheidet allgemeine operationelle
Regeln des Marktes, welche das Verhalten der Marktteilnehmer einschränkt,
wie beispielsweise Zeiteinheiten, Maße, Sprache, Schrift etc. und (transaktions-)
spezifische operationelle Regeln, wie die Transaktionstätigkeiten. Vgl.
Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 291
[111] Der Schlüssel zu diesen Pfadabhängigkeiten
sieht North in der entwickelten Kultur, denn Pfadabhängigkeiten bedingen
den starken Einfluss der Vergangenheit auf die Zukunft. Vgl. North, Douglass
C. (1994): S. 364
[112] Vgl. North, Douglass C. (1994): S. 360
[113] North, Douglass C. (1991): S. 97
[114] Auch die vorkategoriale Zeit ist zwangsläufig
durch unsere Kognition geprägt, da wir nur so beschreiben können, wie
wir sie uns vorstellen.
[115] Vgl. Dietl, Helmut (1993): S. 71
[116] Im folgenden werden Arbeitszeit und Freizeit
nicht explizit behandelt, da die im speziellen die Institutionen der Zeit
beschrieben werden sollen und nicht zeitliche Institutionen.
[117] Die rationale Planbarkeit dieser abgeleiteten
Institutionen ist im Hinblick auf die Komplexität der Zeit-Konzepte problematisch,
da sie nicht innerhalb einer Generation realisierbar sind. Wie Elias schreibt:
„Menschliches Wissen, das ist die Vorstellung, die ihm zugrunde liegt,
ist das Ergebnis des langen, anfangslosen Lernprozesses der Menschheit.
Jeder einzelne Mensch, wie groß sein innovatorischer Beitrag auch sein
mag, baut auf einem schon vorhandenen Wortschatz auf und setzt ihn fort.
Mit dem Wissen von der Zeit verhält es sich nicht anders.“ Vgl. Elias,
Norbert (1984): S. XII
[118] Angelehnt an Dietl, Helmut (1993): S. 38 und
72
[119] Als kleiner Vorgriff auf Kapitel 3 sei erlaubt,
dass die Medien, welche laut Harold Innis unsere Tradeways of Mind bilden,
auch die Zeit an sich geprägt hat, da Zeit nur durch ihre Messinstrumente,
die Medien der Zeit (Uhr, Kalender) sichtbar ist. Oder wie Elias es beschreibt,
kommunizieren Menschen durch „...Signale, die nicht angeboren, die symbolische
Repräsentation all dessen sind, was sie erleben, und die als solche gelernt,
verbessert und von einer Generation an die nächste weitergereicht werden
können.“ Elias, Norbert (1984): S. 26
[120] Dies ist umso nötiger, da „...es bei der Analyse
ökonomischer Veränderungen immer unerläßlicher wird, die Bedeutung der
Einstellung zur Zeit einzuschätzen zu versuchen.“ Innis, Harold A. (1991):
S. 120
[121] Und tatsächlich haben Wissenschaftler versucht,
dem Jetzt, als der Schnittstelle zwischen Vergangenem und Künftigem, eine
Zeitspanne von ca. drei Sekunden zuzuweisen. So lange dauert der Integrationsprozess,
die Spanne, die zwischen der sinnlichen Wahrnehmung und der „Einbettung“
ins Gehirn liegt. Vgl. Lotter, Wolf (2000): S. 89 und Winterhoff-Spurk,
Peter (1989): S. 62
[122] Vgl. Bergson (1919) zitiert nach Hinz, Arnold
(2000): S. 21
[123] „Unser vergangenes Seelenleben bedingt ganz
und gar unseren gegenwärtigen Zustand, ohne ihn in einer notwendigen Weise
zu bestimmen.“ Bergson (1919) zitiert nach Hinz, Arnold (2000): S. 26
[124] Vgl. Hinz, Arnold (2000): S. 34
[125] „Nur im Erleben der Menschen gibt es die gewichtigen
Scheidelinien zwischen dem, was »heut«, was »gestern« und was »morgen«
ist.“ Vgl. Elias, Norbert (1984): S. 52
[126] Vgl. North, Douglass C. (1991): S. 98f
[127] Vgl. Rinderspacher, Jürgen P. (1989):
S. 92
[128] So war der griechische Gott Kronos (Chronos)
der Gott der Saat und der Zeit. Vgl. Borst, Arno (1990): S. 95
[129] Vgl. Innis, Harold A. (1991): S. 123 und Rinderspacher,
Jürgen P. (1989): S. 92
[130] Vgl. North, Douglass C. (1991): S. 98
[131] Vgl. weiterführend Innes, Harold A. (1991):
S. 123-130 und Richards, E.G. (1998): 43-63
[132] Der heilige Benedikt ersonn die rituelle Aufteilung
des Tages in einer strengen Zuordnung von Tätigkeiten zu den ‚Horen’,
welche später zum Vorbild für Kaufleute wurde. Der Benediktinerorden erfand
zur Einhaltung dieser Ordnungen die ersten mechanischen Uhren. Vgl. Rifkin,
Jeremy (1988): S. 106ff
[133] Noch heute gilt der Kalender gemäß der Kalenderreform
Pabst Gregor XIII von 1582. Vgl. Innis, Harold A. (1991): S. 129
[134] Vgl. Innis, Harold A. (1991): S. 129
[135] Die Suche nach dem Längengrad war für mehrere
Jahrhunderte die Schlüsselfrage für die erfolgreiche Seefahrt und den
damit verbundenen Handel. Bereits Galilei hatte 1598, angespornt durch
die finanzielle Belohnung Philipp III von Spanien, seine Beobachtungen
des Jupitermondes so weit verfeinert, dass er dachte, mit ihnen den Längengrad
bestimmen zu können. In seinen Ephemeriden – den Aufzeichnungen
der täglich wechselnden Konstellationen von Sonne, Mond und Planeten zueinander
- sah er den Schlüssel zum Längengrad. Da die Beobachtung der kleinen
Jupitermonde auf See nicht möglich war, brauchte es noch fast Zweihundert
Jahre bis das Längengrad-Problem gelöst war: Durch die Erfindung der H4,
einem transportablen und genauen Zeitmesser, für deren Konstruktion der
Erfinder John Harrison fast sein ganzes Leben aufgewendet hatte. Motiviert
wurde er durch die 20.000 Pfund Preisgeld des 1714 ausgeschriebenen Preises
der britischen Längengrad-Kommission. Vgl. weiterführend Sobel, Dava (1995)
[136] Seit 1884 ist das Maß der Weltzeit der Null-Meridian,
der durch das Greenwich-Observatorium in England verläuft. Die „Co-Ordinated
Universal Time“ (UTC), welche auch als Greenwich Mean Time (GMT) bekannt
ist, unterteilt die Welt ausgehend von 12.00 Uhr Mittags in Greenwich
in 24 Zeitzonen, welche sich in jeweils einer Stunde Zeitunterschied ante-meridian
(a.m.) oder post-meridian (p.m.) ausdrücken. Die Einführung dieser Standard-Zeit
war weitgehend wirtschaftlich getrieben: „In cases when business men seperated
by long distances make contracts by telegraph, the engangements will be
free from all ambiguity as to time. Both parties will be bound absolutely
by the same notation.“ Fleming, Sanford (1889): S. 357. Anhang B zeigt
die alphabetische (!) Aufteilung der Standard-Zeitzonen nach Sanford Fleming.
[137] Die damals erfolgreichste Ingersoll-One-Dollar
Uhr wurde Anfang des 20. Jahrhunderts 40 Millionen mal verkauft und somit
„The watch that made the Dollar famous“ Vgl. www.timex.com
[138] Vgl. Innis, Harold A. (1991): S. 131
[139] Vgl. Lash, Scott / Urry, John (1994): S. 228
und Rifkin, Jeremy (1987): S. 115
[140] Die Normal-Zeit GmbH bewarb ihre Stechuhren
1923 u.a. mit den Worten: „Erzieht zur Pünktlichkeit“ Vgl. Anhang B
[141] Vgl. Anhang B
[142] „Die Uhr, nicht die Dampfmaschine ist die
wichtigste Maschine des Industriezeitalters [...].“ Lewis Mumford zitiert
nach Levine, Robert (1999): S. 101
[143] „Uhren sind genau das; sie sind nichts als
menschengeschaffene physikalische Wandlungskontinuen, die in bestimmten
Gesellschaften als Bezugsrahmen und Maßstab für andere soziale oder physikalische
Wandlungskontinuen standardisiert werden.“ Elias, Norbert (1984): S. 12
[144] Das ein Jahr 365,5 1/4 Tage mit je 24 Stunden
hat, von denen jede 60 Minuten beinhaltet, die sich in 60 Sekunden unterteilt,
reicht für den Alltag. Mit sogenannten Atomuhren wird die exakte Sekunde
heute mit der Strahlungsschwingung des Caesiumatoms 133 gemessen. Eine
Sekunde besteht demnach aus 9 192 631 770 Schwingungen.
Vgl. Lotter, Wolf (2000): S. 89. Zum Vergleich: Die genaueste Uhr, welche
1773 die Zeit anzeigte, ging ‚nur’ ein drittel Sekunde pro Tag falsch.
Vgl. Sobel, Dava (1995): S. 195
[145] Zur Geschichte der Zeit siehe vertiefend:
Whitrow, Gerald (1991)
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