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October 30th 2002
 

   
 
   

Allokation von Medien-Zeit

 
 
   
   
   
   
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Inhalt

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»Neues entsteht dann, wenn sich die Handlungsbedingungen und –möglichkeiten von Wirtschaftsubjekten so verändern, daß dies nicht durch einen Algorithmus ... abgebildet und prognostiziert werden kann.«
Marco Lehmann-Waffenschmidt [1]

4  Die Ökonomie der Medien-Zeit

Das Neue, welches die im vorigen Kapitel beschriebene Medien-Zeit in die temporalen Handlungsmöglichkeiten der Wirtschaftssubjekte einbringt, besteht darin, dass Zeit nicht mehr als absolut betrachtet werden muss, sondern durch die Nutzung von Medien relativiert werden kann. Durch die sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten, welche die Individualzeit beeinflussen, ist es schwierig, die Allokation von Medien-Zeit auf ein kausales Modell zu reduzieren, wie es Gary Becker mit der Verknüpfung von Geld und Zeit getan hat. Die medienwissenschaftliche Betrachtung der Medien-Zeit hat gezeigt, dass jede der medialen Schichten Zeitlichkeiten aufweist, die über das Modell der Allokation von Zeit hinausgehen, wie sie von Gary Becker vorgeschlagen wurde:

  1. Die technische Medien-Zeit hat über den Schattenpreis ihrer Verwendung hinaus einen ganz konkreten Preis der Nutzung, welcher sich z.B. in Tarifen oder Nutzungsgebühren niederschlägt.
  2. In ihrer dispositiven Kraft sind die Medien als soziale Zeitgeber nicht mehr nur ‚Produktionsmittel’ für den Haushalt, sondern werden Teil des wirtschaftlichen Verhaltens. Medien-Zeit ist demnach nicht nur Input in die Produktionsfunktion der Haushalte, sondern determinierende Rahmenbedingung der Allokation.
  3. Die symbolischen Formen der Medien-Zeit verweisen auf Sinn-Zusammenhänge, welche ihre konkrete Nutzung nicht durch die Kopplung aufgewendeter Zeit an entgangenes monetäres Einkommen erklären lassen, da schließlich durch die Nutzung von Medien auch gezielt Freizeit ‚vernichtet’ werden kann.

Bereits diese simplen Beispiele zeigen, dass ein Modell erforderlich ist, welches die klassische Zeitallokation um die notwendigen Parameter erweitert und so die buchstäbliche Vielschichtigkeit der Medien-Zeit integrieren kann.

Aufbauend auf den in Kapitel 2 erläuterten ökonomischen Zeit-Theorien und der in Kapitel 3 erfolgten medienwissenschaftlichen Darstellung der Medien-Zeit werden im folgenden die ökonomischen Implikationen der drei Schichten der Medien-Zeit für ein Modell der Allokation von Medien-Zeit dargestellt.

4.1  Monetäre Zeit der Medien

»I’m working so hard, that I’m killing myself and wrecking my family,
but I’m making so much money I can afford it.«
Roland McKean [2]

Die Nutzung der technischen Medien-Zeit ist ökonomisch am besten abbildbar, da sie die Grundlage für die Abrechnung nach den beschriebenen technischen Intervallen bildet. Die chronometrischen Nutzungsdauern der Massenmedien liefern beispielsweise die Basisdaten zu Absicherung der werbefinanzierten dualen Produktmärkte. [3] Medien-Zeitbudgets werden dafür u.a. in Stichproben der quantitativen Studien der Media-Analyse erhoben, nach sozio-demographischen Gesichtspunkten geordnet und so die Werberelevanz aus den allgemeinen [4] und speziellen [5] Nutzungsdauern der Medien im Tagesablauf abgeleitet. Über die Werbemärkte der Massenmedien hinaus, hat sich die entgeldliche Nutzung von Individualkommunikationsmedien etabliert, in denen Nutzungsintervalle in zeitlich gestaffelten Tarifen [6] abgerechnet werden. Das digitale Intervall hat die Zeiträume dabei nicht nur exakt bestimmbar, sondern auch berechenbar gemacht. Die Präzision der ökonomischen Abrechnung von Zeit ist dabei so weit fortgeschritten, dass selbst Bruchteile von Sekunden in Bruchteilen von Cent abgerechnet werden können. [7] Die Digitalisierung hat die Kopplung von Zeit an Geld optimiert und somit den ökonomischen Zweck des digitalen Intervalls zum eigentlichen Taktgeber der medialen Revolution [8] ‚erhoben’. [9] So ist es auch wenig verwunderlich, dass sich die vorhandenen ökonomischen Betrachtungen der Medien-Zeit fast ausschließlich in der Geräteebene der Medien abspielen; da wo Zeit berechenbar ist. [10]

Wie in Kapitel 2 beschrieben, hat die neoklassische Theorie die komplexe Menge der temporär bestimmten Daten so weit eingeschränkt, dass sie den komplexen Aspekt der Zeit als Perspektive des Wandels vernachlässigen konnte: die Präferenzen der Konsumenten wurde als invariabel und Zeit als ein homogenes Gut definiert, dessen Verwendung ausschließlich über das monetäre Budget reguliert wird. Damit unterstellt die Neoklassik auch ein Menschenbild, dass einem recht ‚einfältigen’ Konsumenten entspricht, der mit Zeit nicht mehr anzufangen weiß, als sie in Geld zu bewerten. [11] Das ‚Denkmuster’ dieses Modell-Menschen beschränkt sich auf diese Konnotation, da ihm so, aufgrund der vollständigen Information, keine unsichere Zukunft ‚bevorsteht’, wodurch er seine Zeitverwendung immer optimal einteilen könnte. In dieser simplen Modell-Welt stehen dem Konsumenten wenige Handlungsoptionen offen oder positivistisch ausgedrückt, braucht er nur wenige Parameter in seine Auswahl zu integrieren, da jede wirtschaftliche Handlung nur eine Anpassung der Gegebenheiten an vorhandene Tatsachen darstellen würde. [12] Die Orientierung des Konsumenten wäre unter diesen Annahmen immer optimal. Jedoch haben die Ausführungen zur Medien-Zeit verdeutlicht, dass die technischen Medien-Zeiten zu Dispositiven führen, welche die Verwendung der Medien-Zeit beeinflussen und somit in ein Modell der Allokation von Medien-Zeit integriert werden müssen.

4.2  Die Evolution der Zeit-Institutionen

»Knowledge changes institutions, as institutions shape knowledge.«
Brian J. Loasby [13]

Die neue Institutionenökonomik erweitert, wie beschrieben, die ökonomische Theorie um die Perspektive der Zeit. So greift ein Wirtschaftsakteur auf die ihm zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Zeit-Institutionen zurück, um trotz der Ungewissheit der Zukunft im Hinblick auf seine Zeitverwendung handlungsfähig zu bleiben und seine Entscheidungen zu optimieren. Diese als ‚Tradeways of Time’ erläuterten Fundamentalinstitutionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie die daraus abgeleiteten Institutionen der Uhrzeit, der Kalenderzeit und der Weltzeit bilden das Dispositiv allen wirtschaftlichen und auch allen medialen Handelns. Obgleich letztlich die Ausbildung von Institutionen der Reduktion von Komplexität dient, so unterliegt das Menschenbild der Neuen Institutionenökonomik im Vergleich zum neoklassischen Modell wesentlich weniger reduzierten und starren Strukturen. Dies wird insbesondere an der erhöhten Anzahl der in das Modell integrierten Einflüsse und Verweisungszusammenhänge (connections) [14] des Individuums deutlich, die es zur Bewertung der Zeit benötigt:

Abbildung 12 - Kausale Neoklassik und relationaler Neoinstitutionalismus

Wie aus der Grafik ersichtlich wird, bemisst sich die Entscheidungsgrundlage nach dem Einsatz der Zeit im neoinstitutionalistischen Modell nicht mehr ausschließlich am Schattenpreis der Zeit, wie dies in den abgebildeten Modellen unter dem Begriff des ‚monetären Budgets’ zusammengefasst ist, sondern an wesentlich vielfältigeren zeitlichen Bezügen, mit denen sich ein Individuum in ein Verhältnis zu seiner sich situativ wandelnden Umwelt setzt, und die der weniger einfältige bzw. nicht-neoklassische Konsument dementsprechend ‚mitdenken’ muss. Schließlich kann Zeit nach einem Lebenspartner, nach Kindern, nach einem (krähenden) Haustier, nach inneren Bedürfnissen, nach einem äußeren Zwang usf. koordiniert werden. Doch weder Gesellschaften, arbeitsteilige Wirtschaftssysteme und schon gar nicht ein ökonomisches Modell können ALLE theoretisch und praktisch möglichen Zeitbezüge abbilden. Einige dieser zeitlichen Bezüge entwickeln sich jedoch zu standardisierten Prozeduren und bilden, durch Wiederholungen und die Etablierung von Routinen, Institutionen. [15]

Die so institutionalisierten Zeitmuster bilden Bezugssysteme, nach denen sich Individuen verlässlich in der Zeit orientieren können bzw. mit deren Hilfe sie ihre Handlungen auf das sie umgebende Chronotop abstimmen. [16] Die Akteure bewerten demnach zum Einen ihre Zeit unter Integration der fundamentalen Institutionen der Zeit, d.h. im Verhältnis zu ihrer gegenwärtigen Situation, ihren Erfahrungen aus der Vergangenheit und ihren Erwartungen an die Zukunft und zum Anderen der sekundären Institutionen, wie z.B. der Uhrzeit, der Weltzeit etc. Waren diese in Kapitel 2.3 dargestellten abgeleiteten Zeit-Institutionen zur Zeit ihrer Entstehung noch auf spezielle Lebensbereiche begrenzt, wie z.B. den Klerus oder der Schifffahrt, so sind sie in der heutigen Gesellschaft vollständig ausgebildete Bezugssysteme, und es ist anzunehmen, dass sie sich in der heutigen Gesellschaft ebenfalls zu Fundamentalinstitutionen entwickelt haben, da diese im Sinne Hayeks und Elias’ durch einen langen evolutionären Prozess entstanden sind, und ihre Verweisungszusammenhänge heute nicht mehr wesentlich durch menschliche Planung veränderbar sind. [17]

Vollständig ausgebildete und institutionalisierte Bezugssysteme bilden wiederum die Wissensgrundlage, auf der Menschen neue Bezüge und somit neues Wissen entwickeln. [18] Die Institutionen begrenzen die menschlichen Bezüge der Zeit auf die abstrakten Systeme der Uhren- oder Kalenderzeit, wodurch jedoch gleichzeitig Spielräume eröffnet werden, [19] die „...je nach Situationserfordernis durch geeignete sekundäre Institutionen ausgefüllt werden.“ [20] Diese Situationserfordernisse sind durch die zunehmende Koordination der Gesellschaft durch mediale Prozesse gegeben [21] . Die Institutionen der Zeit bildeten demnach das Dispositiv, unter dem die im vorigen Kapitel beschriebene Medien-Zeit entstand. Diese neuen Dispositive der Medien-Zeit sind ihrerseits zu gelernten Verweisungszusammenhängen geworden, welche, wie in Kapitel 3.3 und 3.4 dargestellt, zumindest als informaler Zeitgeber fungieren können.

Auf Grundlage der in Kapitel 2.3 vorgestellten Institutionen der Zeit wäre dieser These zufolge eine ‚zweite Generation’ von Zeitgebern entstanden, die informal den ‚Takt der Gesellschaft’ angeben. Die folgende Grafik zeigt diese Entwicklung der Zeit-Institutionen von den ursprünglichen sekundären Institutionen der Zeit erster Ordnung zu den abgeleiteten sekundären Institutionen zweiter Ordnung:

Abbildung 13 - Die Evolution der Zeit-Institutionen [22]

Der evolutorische Charakter der institutionalisierten Dispositive der Medien-Zeit legt nahe, dass Medien durch immer flexiblere zeitliche Techniken, begonnen über die Fernbedienung und den Videorekorder und ergänzt durch erhöhte Mobilisierung und Individualisierung ihrer Inhalte und ihrer Technik, [23] die Rahmenbedingungen des zeitlichen Handelns stetig verändern. Die tendenzielle Vereinheitlichung der zeitlichen Bezüge, welche durch die Institutionen der Uhrzeit und der Weltzeit eingeleitet wurden und durch ein vorgegebenes Programmangebot von Medien verstärkt werden, wird mittels neuer Techniken zur Relativierung von Zeitstrukturen durch aktive Zeitgestaltung mit Medien kontrastiert, wie in Kapitel 3.4 beschrieben. Medien bieten demnach die Grundlage der Synchronisierung gesellschaftlicher Zeitmuster [24] und durch immer leistungsfähigere Techniken gleichzeitig die Grundlage immer neuerer zeitlicher Nutzungsmöglichkeiten. In diesem Wechselspiel zwischen Konvergenz und Divergenz [25] der Zeit fällt die Entscheidung über die Allokation von Zeit in ein Netzwerk von zeitlichen Dispositiven, nach denen ein Individuum seine Zeit einteilt:

Abbildung 14 – Das Netz der Medien-Zeit [26]

Anhand des skizzierten Modells wird deutlich, dass die Allokation von Medien-Zeit wesentlich komplexeren Bezügen unterliegt, als allein die von Gary Becker ausgewiesene monetäre Erklärbarkeit. [27] Die von ihm definierten ‚psychischen Kosten’, [28] müssen durch nicht monetäre Faktoren ergänzt werden. Im Hinblick auf die in Kapitel 3.4 beschriebenen zeitlichen Nutzungsmöglichkeiten von Medien, bietet es sich an, dass die Entscheidung zur Nutzung von Medien-Zeit nicht nur in ein Verhältnis zum monetären Budget, sondern auch in ein Verhältnis zum kulturellen oder sozialen Budget gesetzt werden. [29] Somit wird Zeit im vorliegenden Modell im doppelten Sinne ‚relativ’: Während die Nutzer Zeit über den Einsatz von Medien relativieren können, ‚relativiert’ sich der Wert der Zeit im ökonomischen Modell, da dieser nun nicht mehr nur von monokausalen monetären Gesichtspunkten abhängig ist, sondern von der Relation des monetären, kulturellen und sozialen Kapitals zueinander. [30]

Bei einer solchen Vielfalt von Möglichkeiten der Zeitkoordination und -bewertung kann sowohl ein ökonomisches Modell, wie auch sein ‚Untersuchungsgegenstand’, der ökonomische Akteur, leicht die Übersicht verlieren. Um dem Entgegenzuwirken, muss auch die symbolische Form der Medien-Zeit ökonomische Beachtung finden, in welcher der Wert der Nutzung von Medien-Zeit entsteht.

4.3  Der Wert der Medien-Zeit

»Die Vorstellung einer variablen Zeit setzt die Erkenntnis voraus, daß abstrakt-lineare Zeit nicht grenzenlos rational und ökonomisch handhabbar ist und daß es Lebensbereiche gibt, in denen die abstrakt-lineare Zeit
außer Kraft gesetzt werden kann, ja sogar muß.«
Irene Neverla [31]

Gemäß Thorstein Veblens Theorie der feinen Leute [32] war die Zeit vor ungefähr hundert Jahren noch ausschließlich im Besitz der Gesellschaftsschichten, welche auch das Geld besaßen. Der von Veblen beschriebene „demonstrative Müßiggang“ der ‚feinen Leute’ war im Einklang mit dem „demonstrativen Konsum“, der die offensichtliche ‚Verschwendung’ von Zeit und Geld zur Distinktion von der arbeitenden Klasse erhob. [33] Der Wert der Muße bestand darin, dass sich nur die wohlhabende Klasse eine solche ‚unproduktive’ Zeitverschwendung leisten konnte. [34] Die arbeitende Klasse hingegen hatte keine Möglichkeiten Zeit zu verschwenden, da sie durch die ‚Uhrenherrschaft’ des linear durchorganisierten Industriekapitalismus durchgeplant und gebunden war. Die arbeitende Klasse konnte sich Muße gar nicht erlauben, da ihr die finanziellen Mittel zur ‚Nicht-Arbeit’ fehlten. Zeit war demnach in Veblens Klassengesellschaft wahrlich eine Frage des Geldes. [35]

Erst der zunehmende wirtschaftliche Wohlstand nach dem zweiten Weltkrieg sorgte für eine Erosion dieser traditionellen Sozialzusammenhänge [36] und brachte gleichzeitig die neue Wohlstandsgesellschaft durch eine Zunahme der Handlungsoptionen in Eile, da die durch den technischen Fortschritt gewonnene Freizeit genauso effektiv wie die Arbeitszeit ‚genutzt’ wurde. [37] Die Transformation der Gesellschaft, von den starren Bezügen einer Klassengesellschaft zu einer Gesellschaft der flexiblen, alltagsästhetischen Milieus [38] in den 80er Jahren, ging einher mit einer Individualisierung der Subjekte. Durch den Wegfall traditioneller Sozialzusammenhänge und die Zunahme der Optionen erscheint der Wirtschaftsakteur in diesem Kontext immer stärker auf sich selbst als entscheidende und wählende Instanz angewiesen zu sein. [39] Die stärkere Individualisierung führt jedoch nicht zwangsläufig zur oft prophezeiten Einsamkeit und Orientierungslosigkeit, ergo zum Verlust sozialer Bindungen, sondern die Selbstbindung tritt an die Stelle von äußeren Bindungen.

Das Menschenbild einer ‚Zeit-gemäßen’ ökonomischen Theorie könnte demnach dem homo connectus [40] entsprechen, welcher vor viele Wahlen gestellt, in Eigenverantwortung belassen und verunsichert durch die Anforderung, sein Leben selbst und nicht durch soziale Zwänge zu gestalten, aus der Orientierungslosigkeit eine Tugend [41] macht und das stetig wachsende Angebot mit „kluger Zeitökonomie“ [42] und flexiblen Präferenzen nutzt. Er handelt dabei durchaus ökonomisch, jedoch nicht mehr unter der Prämisse, materielle Knappheit zu bewältigen, sondern aus der Vielfalt der ihm gebotenen Optionen, die für ihn sinnvollste herauszufinden. [43] Dieser Sinn kann je nach Situation sehr unterschiedlich ausfallen, da der homo connectus eben kaum noch stabilen Präferenzmustern folgt. [44] Auch traditionelle Wertigkeiten gehen damit verloren. Arbeitszeit wird dem neuen Konsumenten zur Selbsterfüllung, [45] wie auch seine Freizeit der innengerichteten ‚Arbeit’ gewidmet ist, sein Leben zu erleben. [46] Um die sprunghaften individuellen Handlungsimpulse nachvollziehen zu können, muss auch die ökonomische Theorie die Frage nach dem Sinn dieser Handlung stellen. [47]  

Doch wie lässt sich abschließend die Komplexität einer individualisierten Gesellschaft, mit tendenziell unendlichen Lebensstilen und Nutzungsmöglichkeiten ökonomisch erfassen? Ziel kann es nicht sein, alle möglichen Einsatzmöglichkeiten von Medien-Zeit zu integrieren, da dies die Leistungsfähigkeit eines jeden Modells sprengen würde. Jedoch bieten die symbolischen Formen der Medien-Zeit durchaus Muster an, nach welchen sich die Nutzung von Medien-Zeit klassifizieren lässt.

Die in Abschnitt 3.4 beschriebenen zeitrelativierenden Nutzungsformen, die sich im Spannungsfeld zwischen Zeitmangel und -überfluss aufspannen, verweisen grundsätzlich auf eine aktive, individuelle Gestaltung des Alltags mit Medien. Die erhöhte Eigenverantwortung des homo connectus spiegelt sich auch darin wieder, dass er Medien immer individueller und somit aktiver nutzt, um sich durch ihren Einsatz mit seinem sozialen Umfeld zu synchronisieren. Gleichzeitig generiert er über habituelle und rituelle Mediennutzung soziale Gemeinsamkeit oder versucht durch Interimsnutzung Zeit zu sparen oder seine Erlebnisdichte zu erhöhen. Die aktiv gestaltete Mediennutzung unterliegt dabei, durch stetige technische Innovationen, einer permanenten Neuabstimmung zwischen Konsumenten und Medien, welche jeweils auf die zeitliche Ausdifferenzierung des Anderen reagieren und sich dementsprechend selbst zeitlich ausdifferenzieren. [48]  

Der Wert, der so individuell eingesetzten Medien-Zeit generiert sich, wie beschrieben, im Aufbau von kulturellem und sozialem Kapital. Der Konsum von Medien ermöglicht demnach eine zeitlich nachgelagerte, doch deutlich erhöhte Anschlussfähigkeit. [49] Auch tendenziell kontaktlose Mediennutzung, wie das Lesen oder das ‚einsame’ Fernsehen, sind nicht ausschließlich als Negativfolge der Individualisierung zu sehen, sondern vermag ebenso Anschlussfähigkeit für zeitlich nachgelagerte Kommunikation zu generieren. Dieser spätere Mediennutzen kann als sozialer und kultureller externer Effekt [50] der Mediennutzung begriffen werden. Der Nutzen der Investition von Zeit in Medien hängt demnach u.a. von der ‚Konsumgeschichte’, d.h. der beschriebenen Enzyklopädie des Mediennutzers ab. Der Konsum von Medien kann so auch zu kulturellen Lern- und Skaleneffekten führen, [51] wie sie normalerweise nur für monetäres Kapital in der Medienökonomie bekannt sind. [52] Je mehr Zeit ein Individuum in einen spezifischen Medieninhalt, beispielsweise eine spezielle filmische Stilrichtung oder auch nur eine beliebte Schauspielerin investiert, desto niedriger sind seine ‚Lernkosten’ für den Ausbau dieses kulturellen Kapitals, indem er noch einen weiteren Film sieht, den er mit den ‚Einträgen’ in seiner Enzyklopädie verknüpfen kann. [53]

Durch den Anstieg des kulturellen Kapitals erhöht sich zudem das potentielle soziale Kommunikationsnetzwerk eines Medienkonsumenten. In welche Form von Netzwerk dieser investiert, hängt grundsätzlich von den sozialen und kulturellen Netzeffekten ab, die ihm ein Medium bietet. [54] Damit ein Medieninhalt oder auch eine Medientechnik das Potential dieser immateriellen Netzeffekte freisetzen kann, muss es eine kritische Masse an Nutzern erreichen, die bei der Verwendung der individuellen Zeit auf das Medium als potentielle Kommunikationspartner zur Verfügung stehen. [55] Die Ausrichtung der individuellen Handlung geschieht dementsprechend unter prädiktiven Vorstellungen, [56] d.h. der Annahme, dass individuelle Handlungen in der Gegenwart zu einem speziellen Ereignis in der Zukunft führen. Prognostizierte Ereignisse nehmen so auf den Verlauf einer Entwicklung Einfluss. Wenn ein Konsument erwartet über den Besuch eines Filmes Anschluss zu generieren, so wird er dies tun, auch wenn er nur seine inhaltliche Ablehnung kommuniziert. Prädiktive Erwartungen bedingen jedoch auch, dass durch Medien nur realisiert werden kann, was von ihnen ‚erwartet’ wird. Diese Erwartungshaltung kann von Nutzer zu Nutzer unterschiedlich ausfallen. [57] Medien bieten deshalb für das komplette Spektrum von Bedürfnissen zeitliche Angebote, indem sie sozialisierende und individualisierende Möglichkeiten eröffnen. Ausgehend von der Erweiterung des zunächst rein monetären Budgets für die Medien-Zeit um ein soziales und kulturelles Budget, sind die Kosten der Medien-Zeit vielfältiger und differenzierter zu betrachten, was noch einmal exemplarisch am Besuch eines Kinofilmes verdeutlicht werden soll:

Die Entscheidung für den Besuch eines Kinofilmes unterliegt dem Nutzen in Abhängigkeit zu den verschiedenen Budgets des Medien-Nutzers: Der Nutzen, welcher dem Kinobesuch nach dem Becker-Modell zugrunde liegen müsste, entspräche dem Zielgut ‚Unterhaltung’ unter Verwendung von Zeit und dem Einsatz der monetären Kosten für die Kinokarte. [58] Die Annahme von der Existenz eines kulturellen Kapitals bedingt jedoch, dass in die Entscheidung über die Verwendung der Zeit eine Abwägung über potentielle, nachfolgende Anschlussmöglichkeiten des Filmkonsums erfolgt. Der Film wird dementsprechend vorab in der medialen Enzyklopädie des Konsumenten verortet. [59] Das bedeutet, der Konsument bewertet bewusst oder intuitiv, welchen Wert der Film für die Anschlussmöglichkeiten in seinem sozialen Umfeld hat. Diesen Erwägungen schließt sich ebenfalls das soziale Budget an, indem der Kinobesuch entweder bereits mit anderen Konsumenten erfolgt bzw. nachfolgend mit diesen besprochen wird. Der Wert der Medien-Zeit bemisst sich folglich nach einem relationalen Gefüge von kulturellem, sozialem und monetärem Budget, welches innerhalb der im vorigen Abschnitt dargestellten Strukturen vom Konsumenten bestimmt wird.

Die ökonomischen Implikationen der medialen Zeitschichten sind mit den bisherigen Ausführungen in ihren Grundstrukturen beschrieben, wodurch die Basis für eine umfassende ökonomische Integration der Grundannahmen der Medien-Zeit geschaffen wurde. Mit diesen Grundlagen ist es nun möglich, einen Ausblick auf eine Landkarte der Medien-Zeit zu geben.


[1] Lehmann-Waffenschmidt, Marco (1995): S. 112
[2] McKean, Roland (1973): S. 638
[3] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 208 und Engell, Lorenz (1996): S. 202
[4] Vgl. exemplarisch IP-Deutschland (2002) und Media-Perspektiven (2001)
[5] Vgl. die periodisch erscheinende Media-Analyse (MA) oder die Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA).
[6] Tarifstaffelungen der Telekommunikation folgen zeitlichen Versioning-Strategien, d.h. die selben Leistungen werden zu Zeiten geringer Nachfrage (beispielsweise nachts) zu geringeren Preisen abgegeben als bei hoher Nachfrage (beispielsweise vormittags). Vgl. ECC-Report [Hrsg.] (1999): S. 187
[7] So optimieren Anbieter zunehmend die Nutzung von technischen Intervallen, indem sie z.B. durch Zeitmultiplexverfahren der Telekommunikation kleine Sprech- oder Datenübertragungspausen eines Nutzers durch Übertragungen anderer Nutzer ‚füllen’. Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 208
[8] Unter der medialen-, digitalen- bzw. Informationsrevolution kann die Umstrukturierung der gesellschaftlichen Prozesse durch die Innovation neuer Technologien verstanden werden, welche primär höhere Geschwindigkeiten des Wirtschaftens erlauben. Verschiedene ‚mediale Revolutionen’, wie der Buchdruck, der Telegraf, das Telefon, haben immer wieder zur Verkürzung der Übertragungsintervalle und letztlich zu Veränderungen der wirtschaftlichen Wertschöpfung geführt. ECC-Report [Hrsg.] (1999): S. 140 und S. 174
[9] Vgl. Engell, Lorenz (1996): S. 202
[10] Auch wenn die Medienökonomie weitestgehend die Relevanz von Institutionen anerkennt, bleibt sie durch diese Kopplung an das Gedankengut der Neoklassik gebunden, die außerhalb der preislichen Bewertung keine Mittel zur Koordination wirtschaftlicher Tätigkeiten anerkennt. Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 12
[11] Vgl. das Anfangszitat dieses Abschnittes
[12] Vgl. Hayek, Friedrich A. von (1968): S. 249
[13] Loasby, Brian J. (2001): S. 407
[14] Loasby bezeichnet diese ‚gedanklichen Verknüpfungen’ als connections, nach welchen ein Individuum seine Gedanken und Entscheidungen organisiert, um darzustellen, dass diese Verbindungen sich über die Zeit stabilisieren müssen, damit Institutionen entstehen. Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 398-402. Der Begriff des „Verweisungszusammenhangs“ ist auch von Schulze übernommen, der damit die reflexive Verbindung zwischen dem Subjekt und den es umgebenen Wirklichkeitsmodellen beschreibt. Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 237f
[15] Die Verweisungszusammenhänge bilden ein Muster, welches die Grundlage für die in Kapitel 2.1 erläuterten spontanen Ordnungen im Sinne Hayeks bilden. Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 407
[16] Jede individuelle Entscheidung unterliegt dabei nicht immer gleichwertig allen Bezügen, sondern einem Set an priviligierten Bezügen, folglich jenen, die das Individuum in seiner spezifischen Situation am wichtigsten erachtet. Entscheidungen werden beispielsweise mal mehr in Hinblick auf die Vergangenheit oder aber stärker im Hinblick auf die Zukunft getroffen. Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 400
[17] Vgl. Dietl, Helmut (1993): S. 89. Aus diesem Grund sind auch alle Versuche, das Maß der Uhrzeit oder des Kalenders, wie beispielsweise die Einführung einer dezimalen Zeit und eines Revolutionskalenders, nach der französischen Revolution gescheitert.
[18] Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 402. Menschliches Wissen wiederum benötigt Medien – mindestens die Sprache – um weitergegeben zu werden. Die Institution der Uhrzeit wurde vom Medium der Uhr weitergegeben, und die Institutionen der Zeit bildeten das Dispositiv, unter dem die beschriebenen Medien-Zeiten entstanden. Hier wird die prekäre Verwicklung der neoinstitutionellen Analyse von Medien deutlich: Der Untersuchungsgegenstand der medialen Dispositive ist immer bereits durch institutionalisierte Medien vermittelt.
[19] Uhrzeit und Kalenderzeit müssen nicht immer wieder neu definiert oder von Individuen erlernt werden. Dadurch dass sie das geworden sind, was in Kapitel 2.1 als ‚naturgewordene Übereinkunft’ bezeichnet wurde, schaffen sie genügend kreativen Freiraum für die Entwicklungen neuer auf ihnen aufbauender Bezugssysteme.
[20] Dietl, Helmut (1993): S. 76
[21] Mit zunehmender Arbeitsteilung und Ausdifferenzierung der Gesellschaft steigt der Bedarf an Koordination. Dieser erfolgt nicht mehr nur über das Medium der Sprache, wie in archaischen Gesellschaften, sondern über immer vielfältigere, ausdifferenzierte Medien.
[22] In Anlehnung an Dietl, Helmut (1993): S. 74
[23] Exemplarisch seien hier nur die stetig weiterentwickelten kabellosen Internettechniken, wie Wireless LAN, und der Trend zur ‚mass customization’ von angebotenen Produkten genannt. Zur Vertiefung siehe: Shapiro, Carl / Varian, Hal (1999): S. 19-83 und ECC-Report [Hrsg.] (1999):  S. 186-196.
[24] Vgl. Hickethier, Knut (2002): S. 120
[25] In diesem Spannungsfeld scheint sich eine große Anzahl von medienwirtschaftlichen Prozessen abzuspielen, denn eine Konvergenz führt häufig zur Erhöhung divergenter Möglichkeiten. So führte die Konvergenz der Informations- und Kommunikationstechnologiebranchen zur Erosion der integrierten Anbieter, da Standardisierung (auf der Konvergenz beruht) zur Divergenz der Anwendungsmöglichkeiten führt.
[26] Die ‚offenen’ Verbindungen, die exemplarisch an die Kalenderzeit angefügt sind, symbolisieren die vielfältigen potentiellen Verbindungen der Kalenderzeit zu anderen Bezugsgrößen. Alle Bezugspunkte in der Abbildung haben unendlich viele Verbindungsmöglichkeiten zu allen anderen ‚Entscheidungshilfen’ des Individuums.
[27] Gary Becker selbst hatte bei der Formulierung seines Modells der Allokation von Zeit darauf hingewiesen, dass Ökonomie sich nicht ausschließlich auf materielle Größen beschränken lassen solle, obgleich er aber durch seine Kopplung der Zeit an den Arbeitslohn genau diesen Effekt verstärkt. Vgl. Becker, Becker (1982): S. 2
[28] Becker erklärt, dass es psychische Kosten gibt, welche den offensichtlichen Nutzen einer Gelegenheit zunichte machen können. Die Entstehung dieser ‚Kosten’ lässt er offen, denn es sind ihm zufolge „..Kosten, die möglicherweise von Außenstehenden nicht so leicht ‚gesehen’ werden.“ Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 6
[29] In Anlehnung an Bourdieus Aufteilung des Kapitals in ökonomischen, kulturelles und soziales Kapital. Vgl. Bourdieu, Pierre (1992): S. 50ff
[30] Demnach lässt sich z.B. die Entscheidung über einen Kinobesuch möglicherweise aus einer Relation von dem Preis der Kinokarte (monetäres Budget), von dem tatsächlichen Film (kulturelles Budget) und von der Begleitung zum Kinobesuch (soziales Budget) beschreiben. Jeder dieser Faktoren kann die Entscheidung positiv oder auch negativ beeinflussen.
[31] Neverla, Irene (1999): S. 133
[32] Vgl.  Veblen, Thorstein (1986)
[33] Veblen sieht das demonstrative Vermeiden jedweder ‚nützlichen’ Tätigkeit in Verbindung mit dem verschwenderischen Konsum als Kennzeichen einer müßigen Klasse. Vgl. Veblen, Thorstein (1986): u.a. S. 55 und S. 84
[34] Der sogenannte ‚Veblen-Effekt’ des Konsums, d.h. die Tatsache, dass etwas nur ‚gut’ ist, wenn es teuer ist, kann durchaus auf die Zeit übertragen werden, dass etwas nur ‚gut’ ist, wenn es lange dauert, also Muße und Kontemplation voraussetzt.
[35] Zu den Zusammenhängen von Zeit und Klasse siehe auch Wotschak, Frank (1997).
[36] Nicht nur die Klasse als institutionelles Bezugssystem verlor Bindungswirkung, sondern auch religiöse Gemeinschaft, berufliche Zugehörigkeit etc. Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 75
[37] In Anlehnung an Thorsten Veblens „The Theory of the Leisure Class“ nannte Linder, der die Theorie  prägte, dass wachsendes Wirtschaftswachstum mit steigender Zeitknappheit verbunden sei, sein Buch „The Harried Leisure Class“. Vgl. Linder, Staffan B. (1972); Veblen, Thorstein (1986).
[38] Im Gegensatz zur standesgemäßen Außenorientierung der Klassengesellschaft – der Distinktion von anderen Klassen – führen der Wandel der materiellen Problemstellung, von der Knappheit zum Überfluss, zu einer ästhetikgetriebenen Innenorientierung – der erlebnisreichen Ästhetisierung des Lebens. Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 68
[39] Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 76
[40] Vgl. Beuthner, Michael (2002): S. 131 und Glotz, Peter (2001): S. 109ff
[41] Vgl. Göbel, Johannes / Clermont, Christoph (1999)
[42] „Viele haben längst eine vagabundierende Zeichenkompetenz erworben, entwickeln Filterfähigkeit, mediale Skepsis und kluge Zeitökonomie gegenüber dem wachsenden Angebot von Kommunikation.“ Glotz, Peter (2001): S. 109
[43] Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 68
[44] Wodurch er auch die Marktforschung ihrerseits in die Orientierungslosigkeit ‚treibt’. Vgl. Göbel, Johannes / Clermont, Christoph (1999): S. 65
[45] Zeit erhält damit einen intrinsischen Wert, den Becker in seinem Modell vollständig ausklammert.
[46] Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 68
[47] Georg Franck hat die Aufmerksamkeit als knappe Ressource der geistigen Arbeit bezeichnet, die zur wichtigsten Quelle der Wertschöpfung und somit der Sinngenerierung geworden sei. Vgl. Franck, Georg (1998): S. 12ff Tatsächlich stellt Aufmerksamkeit eine abstufende Qualitätsbezeichnung eingesetzter Zeit dar. Im Sinne einer Zeitallokation Gary Beckers wäre nur aufmerksam verbrachte Zeit in die Produktionsfunktion des Haushaltes eingebrachte Zeit. Wie in der symbolischen Form der Medien-Zeit gezeigt wurde, gehören aber auch nicht aufmerksame Zeiten, beispielsweise die der Parallelnutzung, zur Verwendung von Medien-Zeit. Aufmerksamkeit allein soll demnach nicht als Sinnquelle verstanden werden.
[48] Beispielsweise differenzieren sich etablierte Medien, wie das Buch, zeitlich durch die Einführung des Hörbuches aus, um einen Literaturkonsum auch in Situationen, wie z.B. beim Autofahren, zu ermöglichen, die das Lesen ausschließen. Eine ähnliche Nutzung ‚leerer’ Zeit ermöglichen ephemere Medien, wie das out-of-home TV, welches an öffentlichen Plätzen zur Wartezeitüberbrückung angeboten wird. Medien haben damit längst die zeitlichen Nischen besetzt, welche Hickethier noch 1986 als kulturelles Widerstandskonzept gegen die zeitlich „...vereinheitlichende Tendenz der elektronischen Medien...“ etablieren wollte. Vgl. Hickethier, Knut (1986): S. 34-39
[49] Eine empirische Übersicht, welche Medien am häufigsten für Gesprächsstoff sorgen, gibt Anhang D.
[50] Externe Effekte sind: „Nebenwirkungen individueller Konsum- und Produktionsakte auf Dritte, die nicht über den Markt entgolten oder auf andere Weise als einzelwirtschaftliche Kosten angelastet werden.“ ECC-Report (1999): S. 155; vgl. hierzu auch Shapiro/Varian (1999): S. 183
[51]   So entwirft Haucap anhand dieser Effekte eine Theorie, warum einige Spielfilme erfolgreich sind und andere nicht. Vgl. Haucap, Justus (2001)
[52] Vgl. weiterführend Shapiro, Carl / Varian, Hal (1999): S. 179
[53] Dem gleichen Prinzip folgt allgemein die in Kapitel 3.3.2 beschriebene Serialtät der Medien.
[54] „Je mehr Nutzer am jeweiligen Netzwerk angeschlossen sind, desto mehr potentielle Kommunikationspartner [hier im Sinne der Telekommunikation – M.T.] hält es für die Nutzer bereit und desto größer ist der Wert des Netzwerkes. [...] Ein Nutzer kauft nicht mehr nur das physische Produkt, sondern vielmehr den Zugang zu diesem Netzwerk, den er durch das Produkt erhält.“ ECC-Report (1999): S. 155
[55] Im monetären Sinne, um ausreichend Fixkostendegression bei der Serienproduktion zu erreichen; im sozialen oder kulturellen Sinne, um eine Fixkostendegression bei der Serienrezeption zu erreichen.
[56] Prädiktive Vorstellungen verlängern die in Kapitel 2.3 beschriebenen institutionellen Pfadabhängigkeiten in die Zukunft, indem die Institutionen die Vorstellungsmöglichkeiten restriktiv beeinflussen und so das menschliche Handeln die Zukunft partiell gestalten kann, wenn keine unvorhergesehenen Einflüsse von Außen hinzukommen. Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 397; Lehmann-Waffenschmidt, Marco (1995): S. 114
[57] Um die verschiedenen Nutzungen jedoch nicht für jeden einzelnen Wirtschaftsakteur auch einzeln bestimmen zu müssen, bietet sich im Hinblick eines Modells der Allokation von Medien-Zeit die Zusammenfassungen von Nutzern in Milieus an, in denen das Wirtschaftsubjekt seine zeitlichen Aktivitäten koordiniert und sein soziales und kulturelles Budget abstimmt. Die Mileubeschreibungen der Sinus-Marktforschung oder auch Gerhard Schulzes definieren gemeinsame alltagsästhetische Erwartungshaltungen von Individuen und könnten für ein solches Modell die Grundlage bieten. Vgl. Schulze, Gerhard (1997) und http://www.sinus-milieus.de [Stand: 05.08.2002]
[58] Beide lassen sich als Sucheigenschaften eines Medienproduktes bezeichnen, da sowohl Dauer, wie auch Kinokartenkosten im Vorfeld durch Inspektion zu erfahren sind. Vgl. Haucap, Justus (2001): S. 6
[59] Diese eigene kulturelle Anschlussmöglichkeit muss meist im Vorfeld abgewogen werden, da Medieninhalte im Regelfall Erfahrungsgüter sind, wodurch die subjektive Qualitätsbeurteilung eines Films, in welche u.a. auch die individualzeitliche Wahrnehmung der Montage eingeht, nicht ex ante erfolgen kann. Stars und Regisseure sind deshalb als unsicherheitsreduzierende Institutionen von besonderer Bedeutung für das Erfahrungsgut Film. Vgl. Haucap, Justus (2001): S. 6