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Allokation von Medien-Zeit
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»Neues entsteht dann, wenn sich die Handlungsbedingungen
und –möglichkeiten von Wirtschaftsubjekten so verändern, daß dies nicht
durch einen Algorithmus ... abgebildet und prognostiziert werden kann.«
Marco Lehmann-Waffenschmidt
[1]
4 Die Ökonomie der Medien-Zeit
Das Neue, welches die im vorigen Kapitel beschriebene Medien-Zeit in
die temporalen Handlungsmöglichkeiten der Wirtschaftssubjekte einbringt,
besteht darin, dass Zeit nicht mehr als absolut betrachtet werden muss,
sondern durch die Nutzung von Medien relativiert werden kann. Durch die
sich daraus ergebenden vielfältigen Möglichkeiten, welche die Individualzeit
beeinflussen, ist es schwierig, die Allokation von Medien-Zeit auf ein
kausales Modell zu reduzieren, wie es Gary Becker mit der Verknüpfung
von Geld und Zeit getan hat. Die medienwissenschaftliche Betrachtung der
Medien-Zeit hat gezeigt, dass jede der medialen Schichten Zeitlichkeiten
aufweist, die über das Modell der Allokation von Zeit hinausgehen, wie
sie von Gary Becker vorgeschlagen wurde:
- Die technische Medien-Zeit hat über den Schattenpreis ihrer Verwendung
hinaus einen ganz konkreten Preis der Nutzung, welcher sich z.B. in
Tarifen oder Nutzungsgebühren niederschlägt.
- In ihrer dispositiven Kraft sind die Medien als soziale Zeitgeber
nicht mehr nur ‚Produktionsmittel’ für den Haushalt, sondern werden
Teil des wirtschaftlichen Verhaltens. Medien-Zeit ist demnach nicht
nur Input in die Produktionsfunktion der Haushalte, sondern determinierende
Rahmenbedingung der Allokation.
- Die symbolischen Formen der Medien-Zeit verweisen auf Sinn-Zusammenhänge,
welche ihre konkrete Nutzung nicht durch die Kopplung aufgewendeter
Zeit an entgangenes monetäres Einkommen erklären lassen, da schließlich
durch die Nutzung von Medien auch gezielt Freizeit ‚vernichtet’ werden
kann.
Bereits diese simplen Beispiele zeigen, dass ein Modell erforderlich
ist, welches die klassische Zeitallokation um die notwendigen Parameter
erweitert und so die buchstäbliche Vielschichtigkeit der Medien-Zeit integrieren
kann.
Aufbauend auf den in Kapitel 2 erläuterten ökonomischen Zeit-Theorien
und der in Kapitel 3 erfolgten medienwissenschaftlichen Darstellung der
Medien-Zeit werden im folgenden die ökonomischen Implikationen der drei
Schichten der Medien-Zeit für ein Modell der Allokation von Medien-Zeit
dargestellt.
4.1 Monetäre Zeit der Medien
»I’m working so hard, that I’m killing myself and wrecking
my family,
but I’m making so much money I can afford it.«
Roland McKean [2]
Die Nutzung der technischen Medien-Zeit ist ökonomisch am besten
abbildbar, da sie die Grundlage für die Abrechnung nach den beschriebenen
technischen Intervallen bildet. Die chronometrischen Nutzungsdauern der
Massenmedien liefern beispielsweise die Basisdaten zu Absicherung der
werbefinanzierten dualen Produktmärkte.
[3] Medien-Zeitbudgets werden dafür u.a. in Stichproben der quantitativen
Studien der Media-Analyse erhoben, nach sozio-demographischen Gesichtspunkten
geordnet und so die Werberelevanz aus den allgemeinen [4] und speziellen [5] Nutzungsdauern der Medien im Tagesablauf abgeleitet. Über die
Werbemärkte der Massenmedien hinaus, hat sich die entgeldliche Nutzung
von Individualkommunikationsmedien etabliert, in denen Nutzungsintervalle
in zeitlich gestaffelten Tarifen
[6] abgerechnet werden. Das digitale Intervall hat die Zeiträume
dabei nicht nur exakt bestimmbar, sondern auch berechenbar gemacht. Die
Präzision der ökonomischen Abrechnung von Zeit ist dabei so weit fortgeschritten,
dass selbst Bruchteile von Sekunden in Bruchteilen von Cent abgerechnet
werden können. [7] Die
Digitalisierung hat die Kopplung von Zeit an Geld optimiert und somit
den ökonomischen Zweck des digitalen Intervalls zum eigentlichen Taktgeber
der medialen Revolution [8] ‚erhoben’. [9]
So ist es auch wenig verwunderlich, dass sich die vorhandenen ökonomischen
Betrachtungen der Medien-Zeit fast ausschließlich in der Geräteebene der
Medien abspielen; da wo Zeit berechenbar ist. [10]
Wie in Kapitel 2 beschrieben, hat die neoklassische Theorie die komplexe
Menge der temporär bestimmten Daten so weit eingeschränkt, dass sie den
komplexen Aspekt der Zeit als Perspektive des Wandels vernachlässigen
konnte: die Präferenzen der Konsumenten wurde als invariabel und Zeit
als ein homogenes Gut definiert, dessen Verwendung ausschließlich über
das monetäre Budget reguliert wird. Damit unterstellt die Neoklassik auch
ein Menschenbild, dass einem recht ‚einfältigen’ Konsumenten entspricht,
der mit Zeit nicht mehr anzufangen weiß, als sie in Geld zu bewerten.
[11] Das ‚Denkmuster’ dieses Modell-Menschen beschränkt sich auf
diese Konnotation, da ihm so, aufgrund der vollständigen Information,
keine unsichere Zukunft ‚bevorsteht’, wodurch er seine Zeitverwendung
immer optimal einteilen könnte. In dieser simplen Modell-Welt stehen dem
Konsumenten wenige Handlungsoptionen offen oder positivistisch ausgedrückt,
braucht er nur wenige Parameter in seine Auswahl zu integrieren, da jede
wirtschaftliche Handlung nur eine Anpassung der Gegebenheiten an vorhandene
Tatsachen darstellen würde.
[12] Die Orientierung des Konsumenten wäre unter diesen Annahmen
immer optimal. Jedoch haben die Ausführungen zur Medien-Zeit verdeutlicht,
dass die technischen Medien-Zeiten zu Dispositiven führen, welche die
Verwendung der Medien-Zeit beeinflussen und somit in ein Modell der Allokation
von Medien-Zeit integriert werden müssen.
4.2 Die Evolution der Zeit-Institutionen
»Knowledge changes institutions, as institutions shape knowledge.«
Brian J. Loasby [13]
Die neue Institutionenökonomik erweitert, wie beschrieben, die ökonomische
Theorie um die Perspektive der Zeit. So greift ein Wirtschaftsakteur auf
die ihm zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Zeit-Institutionen
zurück, um trotz der Ungewissheit der Zukunft im Hinblick auf seine Zeitverwendung
handlungsfähig zu bleiben und seine Entscheidungen zu optimieren. Diese
als ‚Tradeways of Time’ erläuterten Fundamentalinstitutionen von Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft sowie die daraus abgeleiteten Institutionen der
Uhrzeit, der Kalenderzeit und der Weltzeit bilden das Dispositiv allen
wirtschaftlichen und auch allen medialen Handelns. Obgleich letztlich
die Ausbildung von Institutionen der Reduktion von Komplexität dient,
so unterliegt das Menschenbild der Neuen Institutionenökonomik im Vergleich
zum neoklassischen Modell wesentlich weniger reduzierten und starren Strukturen.
Dies wird insbesondere an der erhöhten Anzahl der in das Modell integrierten
Einflüsse und Verweisungszusammenhänge (connections)
[14] des Individuums deutlich, die es zur Bewertung der Zeit benötigt:
Abbildung 12 - Kausale Neoklassik
und relationaler Neoinstitutionalismus
Wie aus der Grafik ersichtlich wird, bemisst sich die Entscheidungsgrundlage
nach dem Einsatz der Zeit im neoinstitutionalistischen Modell nicht mehr
ausschließlich am Schattenpreis der Zeit, wie dies in den abgebildeten
Modellen unter dem Begriff des ‚monetären Budgets’ zusammengefasst ist,
sondern an wesentlich vielfältigeren zeitlichen Bezügen, mit denen sich
ein Individuum in ein Verhältnis zu seiner sich situativ wandelnden Umwelt
setzt, und die der weniger einfältige bzw. nicht-neoklassische Konsument
dementsprechend ‚mitdenken’ muss. Schließlich kann Zeit nach einem Lebenspartner,
nach Kindern, nach einem (krähenden) Haustier, nach inneren Bedürfnissen,
nach einem äußeren Zwang usf. koordiniert werden. Doch weder Gesellschaften,
arbeitsteilige Wirtschaftssysteme und schon gar nicht ein ökonomisches
Modell können ALLE theoretisch und praktisch möglichen Zeitbezüge abbilden.
Einige dieser zeitlichen Bezüge entwickeln sich jedoch zu standardisierten
Prozeduren und bilden, durch Wiederholungen und die Etablierung von Routinen,
Institutionen. [15]
Die so institutionalisierten Zeitmuster bilden Bezugssysteme, nach denen
sich Individuen verlässlich in der Zeit orientieren können bzw. mit deren
Hilfe sie ihre Handlungen auf das sie umgebende Chronotop abstimmen. [16] Die Akteure bewerten demnach zum Einen ihre Zeit unter Integration
der fundamentalen Institutionen der Zeit, d.h. im Verhältnis zu ihrer
gegenwärtigen Situation, ihren Erfahrungen aus der Vergangenheit und ihren
Erwartungen an die Zukunft und zum Anderen der sekundären Institutionen,
wie z.B. der Uhrzeit, der Weltzeit etc. Waren diese in Kapitel 2.3 dargestellten
abgeleiteten Zeit-Institutionen zur Zeit ihrer Entstehung noch auf spezielle
Lebensbereiche begrenzt, wie z.B. den Klerus oder der Schifffahrt, so
sind sie in der heutigen Gesellschaft vollständig ausgebildete Bezugssysteme,
und es ist anzunehmen, dass sie sich in der heutigen Gesellschaft ebenfalls
zu Fundamentalinstitutionen entwickelt haben, da diese im Sinne Hayeks
und Elias’ durch einen langen evolutionären Prozess entstanden sind, und
ihre Verweisungszusammenhänge heute nicht mehr wesentlich durch menschliche
Planung veränderbar sind.
[17]
Vollständig ausgebildete und institutionalisierte Bezugssysteme bilden
wiederum die Wissensgrundlage, auf der Menschen neue Bezüge und somit
neues Wissen entwickeln. [18] Die Institutionen begrenzen
die menschlichen Bezüge der Zeit auf die abstrakten Systeme der Uhren-
oder Kalenderzeit, wodurch jedoch gleichzeitig Spielräume eröffnet werden, [19] die „...je nach Situationserfordernis durch geeignete sekundäre
Institutionen ausgefüllt werden.“ [20] Diese Situationserfordernisse sind durch die zunehmende Koordination
der Gesellschaft durch mediale Prozesse gegeben [21] . Die Institutionen der Zeit bildeten demnach
das Dispositiv, unter dem die im vorigen Kapitel beschriebene Medien-Zeit
entstand. Diese neuen Dispositive der Medien-Zeit sind ihrerseits zu gelernten
Verweisungszusammenhängen geworden, welche, wie in Kapitel 3.3 und 3.4
dargestellt, zumindest als informaler Zeitgeber fungieren können.
Auf Grundlage der in Kapitel 2.3 vorgestellten Institutionen der Zeit
wäre dieser These zufolge eine ‚zweite Generation’ von Zeitgebern entstanden,
die informal den ‚Takt der Gesellschaft’ angeben. Die folgende Grafik
zeigt diese Entwicklung der Zeit-Institutionen von den ursprünglichen
sekundären Institutionen der Zeit erster Ordnung zu den abgeleiteten sekundären
Institutionen zweiter Ordnung:
Abbildung 13 - Die Evolution
der Zeit-Institutionen [22]
Der evolutorische Charakter der institutionalisierten Dispositive der
Medien-Zeit legt nahe, dass Medien durch immer flexiblere zeitliche Techniken,
begonnen über die Fernbedienung und den Videorekorder und ergänzt durch
erhöhte Mobilisierung und Individualisierung ihrer Inhalte und ihrer Technik, [23] die Rahmenbedingungen des zeitlichen Handelns stetig verändern.
Die tendenzielle Vereinheitlichung der zeitlichen Bezüge, welche durch
die Institutionen der Uhrzeit und der Weltzeit eingeleitet wurden und
durch ein vorgegebenes Programmangebot von Medien verstärkt werden, wird
mittels neuer Techniken zur Relativierung von Zeitstrukturen durch aktive
Zeitgestaltung mit Medien kontrastiert, wie in Kapitel 3.4 beschrieben.
Medien bieten demnach die Grundlage der Synchronisierung gesellschaftlicher
Zeitmuster [24] und durch
immer leistungsfähigere Techniken gleichzeitig die Grundlage immer neuerer
zeitlicher Nutzungsmöglichkeiten. In diesem Wechselspiel zwischen Konvergenz
und Divergenz [25] der Zeit fällt die Entscheidung über die
Allokation von Zeit in ein Netzwerk von zeitlichen Dispositiven, nach
denen ein Individuum seine Zeit einteilt:
Abbildung 14 – Das Netz
der Medien-Zeit [26]
Anhand des skizzierten Modells wird deutlich, dass die Allokation von
Medien-Zeit wesentlich komplexeren Bezügen unterliegt, als allein die
von Gary Becker ausgewiesene monetäre Erklärbarkeit.
[27] Die von ihm definierten ‚psychischen Kosten’, [28] müssen durch nicht monetäre
Faktoren ergänzt werden. Im Hinblick auf die in Kapitel 3.4 beschriebenen
zeitlichen Nutzungsmöglichkeiten von Medien, bietet es sich an, dass die
Entscheidung zur Nutzung von Medien-Zeit nicht nur in ein Verhältnis zum
monetären Budget, sondern auch in ein Verhältnis zum kulturellen oder
sozialen Budget gesetzt werden. [29] Somit wird Zeit im vorliegenden
Modell im doppelten Sinne ‚relativ’: Während die Nutzer Zeit über den
Einsatz von Medien relativieren können, ‚relativiert’ sich der Wert der
Zeit im ökonomischen Modell, da dieser nun nicht mehr nur von monokausalen
monetären Gesichtspunkten abhängig ist, sondern von der Relation des monetären,
kulturellen und sozialen Kapitals zueinander.
[30]
Bei einer solchen Vielfalt von Möglichkeiten der Zeitkoordination und
-bewertung kann sowohl ein ökonomisches Modell, wie auch sein ‚Untersuchungsgegenstand’,
der ökonomische Akteur, leicht die Übersicht verlieren. Um dem Entgegenzuwirken,
muss auch die symbolische Form der Medien-Zeit ökonomische Beachtung finden,
in welcher der Wert der Nutzung von Medien-Zeit entsteht.
4.3 Der Wert der Medien-Zeit
»Die Vorstellung einer variablen Zeit setzt die Erkenntnis
voraus, daß abstrakt-lineare Zeit nicht grenzenlos rational und ökonomisch
handhabbar ist und daß es Lebensbereiche gibt, in denen die abstrakt-lineare
Zeit
außer Kraft gesetzt werden kann, ja sogar muß.«
Irene Neverla [31]
Gemäß Thorstein Veblens Theorie der feinen Leute
[32] war die Zeit vor ungefähr hundert Jahren noch ausschließlich
im Besitz der Gesellschaftsschichten, welche auch das Geld besaßen. Der
von Veblen beschriebene „demonstrative Müßiggang“ der ‚feinen Leute’ war
im Einklang mit dem „demonstrativen Konsum“, der die offensichtliche ‚Verschwendung’
von Zeit und Geld zur Distinktion von der arbeitenden Klasse erhob.
[33] Der Wert der Muße bestand darin, dass sich nur die wohlhabende
Klasse eine solche ‚unproduktive’ Zeitverschwendung leisten konnte.
[34] Die arbeitende Klasse hingegen hatte keine Möglichkeiten Zeit
zu verschwenden, da sie durch die ‚Uhrenherrschaft’ des linear durchorganisierten
Industriekapitalismus durchgeplant und gebunden war. Die arbeitende Klasse
konnte sich Muße gar nicht erlauben, da ihr die finanziellen Mittel zur
‚Nicht-Arbeit’ fehlten. Zeit war demnach in Veblens Klassengesellschaft
wahrlich eine Frage des Geldes. [35]
Erst der zunehmende wirtschaftliche Wohlstand nach dem zweiten Weltkrieg
sorgte für eine Erosion dieser traditionellen Sozialzusammenhänge [36] und brachte gleichzeitig die neue Wohlstandsgesellschaft
durch eine Zunahme der Handlungsoptionen in Eile, da die durch den technischen
Fortschritt gewonnene Freizeit genauso effektiv wie die Arbeitszeit ‚genutzt’
wurde. [37] Die Transformation
der Gesellschaft, von den starren Bezügen einer Klassengesellschaft zu
einer Gesellschaft der flexiblen, alltagsästhetischen Milieus
[38] in den 80er Jahren, ging einher mit einer Individualisierung
der Subjekte. Durch den Wegfall traditioneller Sozialzusammenhänge und
die Zunahme der Optionen erscheint der Wirtschaftsakteur in diesem Kontext
immer stärker auf sich selbst als entscheidende und wählende Instanz angewiesen
zu sein. [39] Die stärkere
Individualisierung führt jedoch nicht zwangsläufig zur oft prophezeiten
Einsamkeit und Orientierungslosigkeit, ergo zum Verlust sozialer Bindungen,
sondern die Selbstbindung tritt an die Stelle von äußeren Bindungen.
Das Menschenbild einer ‚Zeit-gemäßen’ ökonomischen Theorie könnte demnach
dem homo connectus
[40] entsprechen, welcher vor viele Wahlen gestellt, in Eigenverantwortung
belassen und verunsichert durch die Anforderung, sein Leben selbst und
nicht durch soziale Zwänge zu gestalten, aus der Orientierungslosigkeit
eine Tugend [41] macht
und das stetig wachsende Angebot mit „kluger Zeitökonomie“
[42] und flexiblen Präferenzen nutzt. Er handelt dabei durchaus ökonomisch,
jedoch nicht mehr unter der Prämisse, materielle Knappheit zu bewältigen,
sondern aus der Vielfalt der ihm gebotenen Optionen, die für ihn sinnvollste
herauszufinden. [43] Dieser Sinn kann je nach Situation sehr unterschiedlich ausfallen,
da der homo connectus eben kaum noch stabilen Präferenzmustern folgt. [44] Auch traditionelle Wertigkeiten
gehen damit verloren. Arbeitszeit wird dem neuen Konsumenten zur Selbsterfüllung, [45] wie auch seine Freizeit der
innengerichteten ‚Arbeit’ gewidmet ist, sein Leben zu erleben. [46] Um die sprunghaften individuellen Handlungsimpulse nachvollziehen
zu können, muss auch die ökonomische Theorie die Frage nach dem Sinn dieser
Handlung stellen. [47]
Doch wie lässt sich abschließend die Komplexität einer individualisierten
Gesellschaft, mit tendenziell unendlichen Lebensstilen und Nutzungsmöglichkeiten
ökonomisch erfassen? Ziel kann es nicht sein, alle möglichen Einsatzmöglichkeiten
von Medien-Zeit zu integrieren, da dies die Leistungsfähigkeit eines jeden
Modells sprengen würde. Jedoch bieten die symbolischen Formen der Medien-Zeit
durchaus Muster an, nach welchen sich die Nutzung von Medien-Zeit klassifizieren
lässt.
Die in Abschnitt 3.4 beschriebenen zeitrelativierenden Nutzungsformen,
die sich im Spannungsfeld zwischen Zeitmangel und -überfluss aufspannen,
verweisen grundsätzlich auf eine aktive, individuelle Gestaltung des Alltags
mit Medien. Die erhöhte Eigenverantwortung des homo connectus spiegelt
sich auch darin wieder, dass er Medien immer individueller und somit aktiver
nutzt, um sich durch ihren Einsatz mit seinem sozialen Umfeld zu synchronisieren.
Gleichzeitig generiert er über habituelle und rituelle Mediennutzung soziale
Gemeinsamkeit oder versucht durch Interimsnutzung Zeit zu sparen oder
seine Erlebnisdichte zu erhöhen. Die aktiv gestaltete Mediennutzung unterliegt
dabei, durch stetige technische Innovationen, einer permanenten Neuabstimmung
zwischen Konsumenten und Medien, welche jeweils auf die zeitliche Ausdifferenzierung
des Anderen reagieren und sich dementsprechend selbst zeitlich ausdifferenzieren. [48]
Der Wert, der so individuell eingesetzten Medien-Zeit generiert sich,
wie beschrieben, im Aufbau von kulturellem und sozialem Kapital. Der Konsum
von Medien ermöglicht demnach eine zeitlich nachgelagerte, doch deutlich
erhöhte Anschlussfähigkeit. [49] Auch tendenziell kontaktlose
Mediennutzung, wie das Lesen oder das ‚einsame’ Fernsehen, sind nicht
ausschließlich als Negativfolge der Individualisierung zu sehen, sondern
vermag ebenso Anschlussfähigkeit für zeitlich nachgelagerte Kommunikation
zu generieren. Dieser spätere Mediennutzen kann als sozialer und kultureller
externer Effekt [50] der Mediennutzung begriffen werden. Der Nutzen
der Investition von Zeit in Medien hängt demnach u.a. von der ‚Konsumgeschichte’,
d.h. der beschriebenen Enzyklopädie des Mediennutzers ab. Der Konsum von
Medien kann so auch zu kulturellen Lern- und Skaleneffekten führen, [51] wie sie normalerweise nur
für monetäres Kapital in der Medienökonomie bekannt sind.
[52] Je mehr Zeit ein Individuum in einen spezifischen Medieninhalt,
beispielsweise eine spezielle filmische Stilrichtung oder auch nur eine
beliebte Schauspielerin investiert, desto niedriger sind seine ‚Lernkosten’
für den Ausbau dieses kulturellen Kapitals, indem er noch einen weiteren
Film sieht, den er mit den ‚Einträgen’ in seiner Enzyklopädie verknüpfen
kann. [53]
Durch den Anstieg des kulturellen Kapitals erhöht sich zudem das potentielle
soziale Kommunikationsnetzwerk eines Medienkonsumenten. In welche Form
von Netzwerk dieser investiert, hängt grundsätzlich von den sozialen und
kulturellen Netzeffekten ab, die ihm ein Medium bietet. [54] Damit ein Medieninhalt oder
auch eine Medientechnik das Potential dieser immateriellen Netzeffekte
freisetzen kann, muss es eine kritische Masse an Nutzern erreichen, die
bei der Verwendung der individuellen Zeit auf das Medium als potentielle
Kommunikationspartner zur Verfügung stehen.
[55] Die Ausrichtung der individuellen Handlung geschieht dementsprechend
unter prädiktiven Vorstellungen, [56] d.h. der Annahme, dass individuelle Handlungen
in der Gegenwart zu einem speziellen Ereignis in der Zukunft führen. Prognostizierte
Ereignisse nehmen so auf den Verlauf einer Entwicklung Einfluss. Wenn
ein Konsument erwartet über den Besuch eines Filmes Anschluss zu generieren,
so wird er dies tun, auch wenn er nur seine inhaltliche Ablehnung kommuniziert.
Prädiktive Erwartungen bedingen jedoch auch, dass durch Medien nur realisiert
werden kann, was von ihnen ‚erwartet’ wird. Diese Erwartungshaltung kann
von Nutzer zu Nutzer unterschiedlich ausfallen. [57] Medien bieten deshalb für das komplette Spektrum
von Bedürfnissen zeitliche Angebote, indem sie sozialisierende und individualisierende
Möglichkeiten eröffnen. Ausgehend von der Erweiterung des zunächst rein
monetären Budgets für die Medien-Zeit um ein soziales und kulturelles
Budget, sind die Kosten der Medien-Zeit vielfältiger und differenzierter
zu betrachten, was noch einmal exemplarisch am Besuch eines Kinofilmes
verdeutlicht werden soll:
Die Entscheidung für den Besuch eines Kinofilmes unterliegt dem Nutzen
in Abhängigkeit zu den verschiedenen Budgets des Medien-Nutzers: Der Nutzen,
welcher dem Kinobesuch nach dem Becker-Modell zugrunde liegen müsste,
entspräche dem Zielgut ‚Unterhaltung’ unter Verwendung von Zeit und dem
Einsatz der monetären Kosten für die Kinokarte.
[58] Die Annahme von der Existenz eines kulturellen Kapitals bedingt
jedoch, dass in die Entscheidung über die Verwendung der Zeit eine Abwägung
über potentielle, nachfolgende Anschlussmöglichkeiten des Filmkonsums
erfolgt. Der Film wird dementsprechend vorab in der medialen Enzyklopädie
des Konsumenten verortet.
[59] Das bedeutet, der Konsument bewertet bewusst oder intuitiv,
welchen Wert der Film für die Anschlussmöglichkeiten in seinem sozialen
Umfeld hat. Diesen Erwägungen schließt sich ebenfalls das soziale Budget
an, indem der Kinobesuch entweder bereits mit anderen Konsumenten erfolgt
bzw. nachfolgend mit diesen besprochen wird. Der Wert der Medien-Zeit
bemisst sich folglich nach einem relationalen Gefüge von kulturellem,
sozialem und monetärem Budget, welches innerhalb der im vorigen Abschnitt
dargestellten Strukturen vom Konsumenten bestimmt wird.
Die ökonomischen Implikationen der medialen Zeitschichten sind mit den
bisherigen Ausführungen in ihren Grundstrukturen beschrieben, wodurch
die Basis für eine umfassende ökonomische Integration der Grundannahmen
der Medien-Zeit geschaffen wurde. Mit diesen Grundlagen ist es nun möglich,
einen Ausblick auf eine Landkarte der Medien-Zeit zu geben.
[1] Lehmann-Waffenschmidt, Marco (1995): S.
112
[2] McKean, Roland (1973): S. 638
[3] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 208 und Engell, Lorenz
(1996): S. 202
[4] Vgl. exemplarisch IP-Deutschland (2002) und Media-Perspektiven
(2001)
[5] Vgl. die periodisch erscheinende Media-Analyse
(MA) oder die Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA).
[6] Tarifstaffelungen der Telekommunikation folgen
zeitlichen Versioning-Strategien, d.h. die selben Leistungen werden zu
Zeiten geringer Nachfrage (beispielsweise nachts) zu geringeren Preisen
abgegeben als bei hoher Nachfrage (beispielsweise vormittags). Vgl. ECC-Report
[Hrsg.] (1999): S. 187
[7] So optimieren Anbieter zunehmend die Nutzung von
technischen Intervallen, indem sie z.B. durch Zeitmultiplexverfahren der
Telekommunikation kleine Sprech- oder Datenübertragungspausen eines Nutzers
durch Übertragungen anderer Nutzer ‚füllen’. Vgl. Beck, Klaus (1994):
S. 208
[8] Unter der medialen-, digitalen- bzw. Informationsrevolution
kann die Umstrukturierung der gesellschaftlichen Prozesse durch die Innovation
neuer Technologien verstanden werden, welche primär höhere Geschwindigkeiten
des Wirtschaftens erlauben. Verschiedene ‚mediale Revolutionen’, wie der
Buchdruck, der Telegraf, das Telefon, haben immer wieder zur Verkürzung
der Übertragungsintervalle und letztlich zu Veränderungen der wirtschaftlichen
Wertschöpfung geführt. ECC-Report [Hrsg.] (1999): S. 140 und S.
174
[9] Vgl. Engell, Lorenz (1996): S. 202
[10] Auch wenn die Medienökonomie weitestgehend die
Relevanz von Institutionen anerkennt, bleibt sie durch diese Kopplung
an das Gedankengut der Neoklassik gebunden, die außerhalb der preislichen
Bewertung keine Mittel zur Koordination wirtschaftlicher Tätigkeiten anerkennt.
Vgl. Richter, Rudolf / Furubotn, Eirik G. (1996): S. 12
[11] Vgl. das Anfangszitat dieses Abschnittes
[12] Vgl. Hayek, Friedrich A. von (1968):
S. 249
[13] Loasby, Brian J. (2001): S. 407
[14] Loasby bezeichnet diese ‚gedanklichen Verknüpfungen’
als connections, nach welchen ein Individuum seine Gedanken und Entscheidungen
organisiert, um darzustellen, dass diese Verbindungen sich über die Zeit
stabilisieren müssen, damit Institutionen entstehen. Vgl. Loasby, Brian
J. (2001): S. 398-402. Der Begriff des „Verweisungszusammenhangs“ ist
auch von Schulze übernommen, der damit die reflexive Verbindung zwischen
dem Subjekt und den es umgebenen Wirklichkeitsmodellen beschreibt. Vgl.
Schulze, Gerhard (1997): S. 237f
[15] Die Verweisungszusammenhänge bilden ein Muster,
welches die Grundlage für die in Kapitel 2.1 erläuterten spontanen Ordnungen
im Sinne Hayeks bilden. Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 407
[16] Jede individuelle Entscheidung unterliegt dabei
nicht immer gleichwertig allen Bezügen, sondern einem Set an priviligierten
Bezügen, folglich jenen, die das Individuum in seiner spezifischen Situation
am wichtigsten erachtet. Entscheidungen werden beispielsweise mal mehr
in Hinblick auf die Vergangenheit oder aber stärker im Hinblick auf die
Zukunft getroffen. Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 400
[17] Vgl. Dietl, Helmut (1993): S. 89. Aus diesem
Grund sind auch alle Versuche, das Maß der Uhrzeit oder des Kalenders,
wie beispielsweise die Einführung einer dezimalen Zeit und eines Revolutionskalenders,
nach der französischen Revolution gescheitert.
[18] Vgl. Loasby, Brian J. (2001): S. 402. Menschliches
Wissen wiederum benötigt Medien – mindestens die Sprache – um weitergegeben
zu werden. Die Institution der Uhrzeit wurde vom Medium der Uhr weitergegeben,
und die Institutionen der Zeit bildeten das Dispositiv, unter dem die
beschriebenen Medien-Zeiten entstanden. Hier wird die prekäre Verwicklung
der neoinstitutionellen Analyse von Medien deutlich: Der Untersuchungsgegenstand
der medialen Dispositive ist immer bereits durch institutionalisierte
Medien vermittelt.
[19] Uhrzeit und Kalenderzeit müssen nicht immer
wieder neu definiert oder von Individuen erlernt werden. Dadurch dass
sie das geworden sind, was in Kapitel 2.1 als ‚naturgewordene Übereinkunft’
bezeichnet wurde, schaffen sie genügend kreativen Freiraum für die Entwicklungen
neuer auf ihnen aufbauender Bezugssysteme.
[20] Dietl, Helmut (1993): S. 76
[21] Mit zunehmender Arbeitsteilung und Ausdifferenzierung
der Gesellschaft steigt der Bedarf an Koordination. Dieser erfolgt nicht
mehr nur über das Medium der Sprache, wie in archaischen Gesellschaften,
sondern über immer vielfältigere, ausdifferenzierte Medien.
[22] In Anlehnung an Dietl, Helmut (1993): S. 74
[23] Exemplarisch seien hier nur die stetig weiterentwickelten
kabellosen Internettechniken, wie Wireless LAN, und der Trend zur ‚mass
customization’ von angebotenen Produkten genannt. Zur Vertiefung siehe:
Shapiro, Carl / Varian, Hal (1999): S. 19-83 und ECC-Report [Hrsg.] (1999):
S. 186-196.
[24] Vgl. Hickethier, Knut (2002): S. 120
[25] In diesem Spannungsfeld scheint sich eine große
Anzahl von medienwirtschaftlichen Prozessen abzuspielen, denn eine Konvergenz
führt häufig zur Erhöhung divergenter Möglichkeiten. So führte die Konvergenz
der Informations- und Kommunikationstechnologiebranchen zur Erosion der
integrierten Anbieter, da Standardisierung (auf der Konvergenz beruht)
zur Divergenz der Anwendungsmöglichkeiten führt.
[26] Die ‚offenen’ Verbindungen, die exemplarisch
an die Kalenderzeit angefügt sind, symbolisieren die vielfältigen potentiellen
Verbindungen der Kalenderzeit zu anderen Bezugsgrößen. Alle Bezugspunkte
in der Abbildung haben unendlich viele Verbindungsmöglichkeiten zu allen
anderen ‚Entscheidungshilfen’ des Individuums.
[27] Gary Becker selbst hatte bei der Formulierung
seines Modells der Allokation von Zeit darauf hingewiesen, dass Ökonomie
sich nicht ausschließlich auf materielle Größen beschränken lassen solle,
obgleich er aber durch seine Kopplung der Zeit an den Arbeitslohn genau
diesen Effekt verstärkt. Vgl. Becker, Becker (1982): S. 2
[28] Becker erklärt, dass es psychische Kosten gibt,
welche den offensichtlichen Nutzen einer Gelegenheit zunichte machen können.
Die Entstehung dieser ‚Kosten’ lässt er offen, denn es sind ihm zufolge
„..Kosten, die möglicherweise von Außenstehenden nicht so leicht ‚gesehen’
werden.“ Vgl. Becker, Gary S. (1982): S. 6
[29] In Anlehnung an Bourdieus Aufteilung des Kapitals
in ökonomischen, kulturelles und soziales Kapital. Vgl. Bourdieu, Pierre
(1992): S. 50ff
[30] Demnach lässt sich z.B. die Entscheidung über
einen Kinobesuch möglicherweise aus einer Relation von dem Preis der Kinokarte
(monetäres Budget), von dem tatsächlichen Film (kulturelles Budget) und
von der Begleitung zum Kinobesuch (soziales Budget) beschreiben. Jeder
dieser Faktoren kann die Entscheidung positiv oder auch negativ beeinflussen.
[31] Neverla, Irene (1999): S. 133
[32] Vgl. Veblen, Thorstein (1986)
[33] Veblen sieht das demonstrative Vermeiden jedweder
‚nützlichen’ Tätigkeit in Verbindung mit dem verschwenderischen Konsum
als Kennzeichen einer müßigen Klasse. Vgl. Veblen, Thorstein (1986): u.a.
S. 55 und S. 84
[34] Der sogenannte ‚Veblen-Effekt’ des Konsums,
d.h. die Tatsache, dass etwas nur ‚gut’ ist, wenn es teuer ist, kann durchaus
auf die Zeit übertragen werden, dass etwas nur ‚gut’ ist, wenn es lange
dauert, also Muße und Kontemplation voraussetzt.
[35] Zu den Zusammenhängen von Zeit und Klasse siehe
auch Wotschak, Frank (1997).
[36] Nicht nur die Klasse als institutionelles Bezugssystem
verlor Bindungswirkung, sondern auch religiöse Gemeinschaft, berufliche
Zugehörigkeit etc. Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 75
[37] In Anlehnung an Thorsten Veblens „The Theory
of the Leisure Class“ nannte Linder, der die Theorie prägte, dass wachsendes
Wirtschaftswachstum mit steigender Zeitknappheit verbunden sei, sein Buch
„The Harried Leisure Class“. Vgl. Linder, Staffan B. (1972); Veblen, Thorstein
(1986).
[38] Im Gegensatz zur standesgemäßen Außenorientierung
der Klassengesellschaft – der Distinktion von anderen Klassen – führen
der Wandel der materiellen Problemstellung, von der Knappheit zum Überfluss,
zu einer ästhetikgetriebenen Innenorientierung – der erlebnisreichen Ästhetisierung
des Lebens. Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 68
[39] Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 76
[40] Vgl. Beuthner, Michael (2002): S. 131 und Glotz,
Peter (2001): S. 109ff
[41] Vgl. Göbel, Johannes / Clermont, Christoph (1999)
[42] „Viele haben längst eine vagabundierende Zeichenkompetenz
erworben, entwickeln Filterfähigkeit, mediale Skepsis und kluge Zeitökonomie
gegenüber dem wachsenden Angebot von Kommunikation.“ Glotz, Peter (2001):
S. 109
[43] Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 68
[44] Wodurch er auch die Marktforschung ihrerseits
in die Orientierungslosigkeit ‚treibt’. Vgl. Göbel, Johannes / Clermont,
Christoph (1999): S. 65
[45] Zeit erhält damit einen intrinsischen Wert,
den Becker in seinem Modell vollständig ausklammert.
[46] Vgl. Schulze, Gerhard (1997): S. 68
[47] Georg Franck hat die Aufmerksamkeit als knappe
Ressource der geistigen Arbeit bezeichnet, die zur wichtigsten Quelle
der Wertschöpfung und somit der Sinngenerierung geworden sei. Vgl. Franck,
Georg (1998): S. 12ff Tatsächlich stellt Aufmerksamkeit eine abstufende
Qualitätsbezeichnung eingesetzter Zeit dar. Im Sinne einer Zeitallokation
Gary Beckers wäre nur aufmerksam verbrachte Zeit in die Produktionsfunktion
des Haushaltes eingebrachte Zeit. Wie in der symbolischen Form der Medien-Zeit
gezeigt wurde, gehören aber auch nicht aufmerksame Zeiten, beispielsweise
die der Parallelnutzung, zur Verwendung von Medien-Zeit. Aufmerksamkeit
allein soll demnach nicht als Sinnquelle verstanden werden.
[48] Beispielsweise differenzieren sich etablierte
Medien, wie das Buch, zeitlich durch die Einführung des Hörbuches
aus, um einen Literaturkonsum auch in Situationen, wie z.B. beim Autofahren,
zu ermöglichen, die das Lesen ausschließen. Eine ähnliche Nutzung ‚leerer’
Zeit ermöglichen ephemere Medien, wie das out-of-home TV, welches
an öffentlichen Plätzen zur Wartezeitüberbrückung angeboten wird. Medien
haben damit längst die zeitlichen Nischen besetzt, welche Hickethier noch
1986 als kulturelles Widerstandskonzept gegen die zeitlich „...vereinheitlichende
Tendenz der elektronischen Medien...“ etablieren wollte. Vgl. Hickethier,
Knut (1986): S. 34-39
[49] Eine empirische Übersicht, welche Medien am
häufigsten für Gesprächsstoff sorgen, gibt Anhang D.
[50] Externe Effekte sind: „Nebenwirkungen individueller
Konsum- und Produktionsakte auf Dritte, die nicht über den Markt entgolten
oder auf andere Weise als einzelwirtschaftliche Kosten angelastet werden.“
ECC-Report (1999): S. 155; vgl. hierzu auch Shapiro/Varian (1999): S.
183
[51] So entwirft Haucap anhand dieser Effekte eine
Theorie, warum einige Spielfilme erfolgreich sind und andere nicht. Vgl.
Haucap, Justus (2001)
[52] Vgl. weiterführend Shapiro, Carl / Varian, Hal
(1999): S. 179
[53] Dem gleichen Prinzip folgt allgemein die in
Kapitel 3.3.2 beschriebene Serialtät der Medien.
[54] „Je mehr Nutzer am jeweiligen Netzwerk angeschlossen
sind, desto mehr potentielle Kommunikationspartner [hier im Sinne der
Telekommunikation – M.T.] hält es für die Nutzer bereit und desto größer
ist der Wert des Netzwerkes. [...] Ein Nutzer kauft nicht mehr nur das
physische Produkt, sondern vielmehr den Zugang zu diesem Netzwerk, den
er durch das Produkt erhält.“ ECC-Report (1999): S. 155
[55] Im monetären Sinne, um ausreichend Fixkostendegression
bei der Serienproduktion zu erreichen; im sozialen oder kulturellen Sinne,
um eine Fixkostendegression bei der Serienrezeption zu erreichen.
[56] Prädiktive Vorstellungen verlängern die in Kapitel
2.3 beschriebenen institutionellen Pfadabhängigkeiten in die Zukunft,
indem die Institutionen die Vorstellungsmöglichkeiten restriktiv beeinflussen
und so das menschliche Handeln die Zukunft partiell gestalten kann, wenn
keine unvorhergesehenen Einflüsse von Außen hinzukommen. Vgl. Loasby,
Brian J. (2001): S. 397; Lehmann-Waffenschmidt, Marco (1995): S. 114
[57] Um die verschiedenen Nutzungen jedoch nicht
für jeden einzelnen Wirtschaftsakteur auch einzeln bestimmen zu müssen,
bietet sich im Hinblick eines Modells der Allokation von Medien-Zeit die
Zusammenfassungen von Nutzern in Milieus an, in denen das Wirtschaftsubjekt
seine zeitlichen Aktivitäten koordiniert und sein soziales und kulturelles
Budget abstimmt. Die Mileubeschreibungen der Sinus-Marktforschung oder
auch Gerhard Schulzes definieren gemeinsame alltagsästhetische Erwartungshaltungen
von Individuen und könnten für ein solches Modell die Grundlage bieten.
Vgl. Schulze, Gerhard (1997) und http://www.sinus-milieus.de
[Stand: 05.08.2002]
[58] Beide lassen sich als Sucheigenschaften eines
Medienproduktes bezeichnen, da sowohl Dauer, wie auch Kinokartenkosten
im Vorfeld durch Inspektion zu erfahren sind. Vgl. Haucap, Justus (2001):
S. 6
[59] Diese eigene kulturelle Anschlussmöglichkeit
muss meist im Vorfeld abgewogen werden, da Medieninhalte im Regelfall
Erfahrungsgüter sind, wodurch die subjektive Qualitätsbeurteilung eines
Films, in welche u.a. auch die individualzeitliche Wahrnehmung der Montage
eingeht, nicht ex ante erfolgen kann. Stars und Regisseure sind deshalb
als unsicherheitsreduzierende Institutionen von besonderer Bedeutung für
das Erfahrungsgut Film. Vgl. Haucap, Justus (2001): S. 6
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