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Allokation von Medien-Zeit
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»Media, by altering the environment, evoke in us unique
ratios of sense perceptions. The extension of any one sense alters the
way we think and act – the way we perceive the world. When these ratios
change, men change.«
Marshall McLuhan [1]
3 Medien-Zeit
Die Zeit verhält sich zur Uhr, wie das Denken zu den Medien. Die Uhr
‚enthält’ gewissermaßen die Zeit,
[2] wie die Medien das Denken ‚enthalten’, da Zeit nicht ohne die
Uhr wahrnehmbar wäre und Gedanken wären nicht vermittelbar ohne Medien.
Doch auch wenn die Zeiger einer Uhr stillstehen und der Fernseher abgeschaltet
ist, gehen die Zeit und das Denken weiter, denn Uhren sind nicht
die Zeit, wie auch Medien nicht das Denken sind. Beide halten nur Schritt
mit ihnen – wenn sie können. So wie die beschriebene kategoriale Zeit
Ergebnis menschlichen Handelns ist, vermittelt folglich auch die Uhrzeit
unsere erdachte Zeit. Damit ist die Uhr das spezifische Medium
der Zeit, welches die gesellschaftliche Zeit vermittelt, auf deren Takt
unsere Wahrnehmung von Medien beruht. Damit Medien aber in der Wahrnehmung
funktionieren, muss sich die zeitliche Technik der Medien unsichtbar machen,
da wir sonst keine Kontinuität, sondern nur technische Vertaktung wahrnehmen
würden. [3] Diese unsichtbare Medien-Zeit geht in den gesellschaftlichen
Alltag und ihre Produktionsmittel über – so weit, dass der Mensch nur
existiert, indem er mit den technischen Apparaturen seiner Zeit kommuniziert,
[4] die ihrerseits Zeit-Apparaturen sind: Medien. Wie Marshall McLuhan
uns nahe legt, verändern sich die Menschen, wenn sich ihre Medien, die
Ausweitungen ihres Nervensystems, ändern. Die Zeitgestalten der Medien
bedingen folglich die Art und Weise, wie Individuen ihre eigene Zeit gestalten.
Um diese Transformation der Medien-Zeit, von den technischen Geräten in
die Gewohnheiten der Individuen, nachzuvollziehen, werden im folgenden
die mehr oder weniger versteckten Zeitlichkeiten der Medien herausgearbeitet.
3.1 Über das Verständnis des Medialen
»Bist du, Leser, denn sicher, daß du meine Sprache verstehst?«
Jorge Louis Borges [5]
Um den Einfluss, die Funktionsweise und die Wirkung der Zeit auf Medien
und von Medien auf die Zeit präziser untersuchen zu können, wird zunächst
der Medien-Begriff, der den nachfolgenden Ausführungen zugrunde liegt,
geschärft.
Der Begriff des Medialen verweist auf eine Vielzahl von Konnotationen,
welche in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich betrachtet
werden und sich zumindest bezüglich Gegenstand und Funktionsweise differenzieren
lassen. Sicher ist, dass Medium „Mitte“ und „Mittleres“, „Vermittlung“
und „Vermittler“ heißt und somit eine Frage nach dem Wesen der Medien,
immer eine Frage nach der Beschaffenheit, der Tätigkeit und Rolle dieses
„Dazwischen“ sein muss. [6]
Ein ‚enger’ Medienbegriff versteht pars pro toto die Massenmedien Film,
Hörfunk, TV, Zeitung und Zeitschriften sowie in neuerer Zeit das Internet
als ‚die Medien’. Der Zugang über diese publizistischen Medien trägt den
klassischen Medienbegriff in sich, welcher Medien als Werkzeuge der Übertragung
und Speicherung von Informationen versteht.
[7] Dieser Begriff arbeitet mit einer Transportmetapher, bei der
das Medium als ein ‚Behältnis’ fungiert, in welches ein Sender eine Botschaft
hineingibt und diese auf mehr oder weniger direktem Wege zum Empfänger
schickt. Einmal angekommen, kann das Behältnis ‚geöffnet’ und die Nachricht
‚gelesen’ werden. [8] Dieser
in Abbildung 7 schematisierte lineare und mathematisch berechenbare [9] Übertragungsbegriff prägte den Medienbegriff
der empirischen Soziologie wie auch der Kommunikationsforschung, welche
berechnen und erfragen, wie viel von dem, was als Nachricht ‚in’ das Medium
gegeben wurde, beim Empfänger schließlich ankommt, sowie den des traditionellen
Journalismus, welcher mit der Lasswell-Formel von 1927: „Wer sagt was,
warum, wie und mit welchem Effekt zu wem?“
[10] arbeitet, [11] bis hin zu dem der Medienökonomie, welche sich noch immer
ausschließlich als Ökonomie der Massenmedien versteht. [12]
Abbildung 7 - Kommunikationssystem
nach Shannon/Weaver 1964 [13]
Fungiert das Medium jedoch nur als Behältnis für eine Botschaft, so müsste
es möglich sein, jede beliebige Botschaft in ein beliebiges Medium zu
verpacken, und jeder beliebige Empfänger müsste ein und dieselbe Botschaft
daraus lesen. Oder technokratisch ausgedrückt: Die Signale einer Nachricht
lassen sich – wie in der Grafik abgebildet – von beliebigen Empfängern
wieder zur Nachricht zusammensetzen, wenn nur die Störung – das Rauschen
– hinreichend gering ist.
Eine Öffnung dieses klassischen Medienbegriffes wurde um 1950 von Harold
A. Innis eingeleitet, da dieser erkannte, dass sich das, was in einem
Medium transportiert werden soll, dem Transportmittel anpassen muss. ‚Inhalte’
müssen laut Innis immer in Abhängigkeit ihrer Transportwege betrachtet
werden. [14] Die Denkmöglichkeiten - die „Tradeways of
Mind“ - sind durch die Apparate limitiert, denn Medien können immer nur
das aussagen, was ihre technische Struktur zulässt. Marshall McLuhan erweiterte
und radikalisierte diesen Ansatz, indem in seiner Konzeption jedes Werkzeug
zu einem Medium wird, wenn es auf den Verwendungszusammenhang zurückwirkt.
Durch die Interpretation, Medien als Ausweitung des Nervensystems zu verstehen, [15] hat McLuhan den Grundstein
für eine Medienwissenschaft gelegt, die ihren Gegenstand als systematisierbare
Objekte verstehen, welche das, was sie speichern, verarbeiten und vermitteln
unter Bedingungen stellen, die sie selbst schaffen und sind. [16]
Dieser ‚erweiterte’ Medienbegriff ist nicht unproblematisch, da durch
ihn auch contra-intuitive Gegenstände wie Kleidung, Flugzeuge oder das
Fahrrad als Medien definierbar wären.
[17] Ein Medienbegriff, der anwendbar sein will, darf deshalb nicht
mit Marshall McLuhans Aussage „Das Medium ist die Botschaft“ enden, damit
er nicht droht, in die Willkürlichkeit abzugleiten. „Wenn Alles Medium
wäre, dann wäre Medium Nichts.“ [18] So muss es ein Begriff des Medialen leisten, alle Einzelmedien
weitestgehend zu verbinden, die Spezifik eines Mediums zu differenzieren
und schließlich das Mediale vom Nicht-Medialen zu unterscheiden. Um diesem
Anspruch gerecht zu werden, wird ein Medium im folgenden als Schichtung
aus drei Ebenen verstanden:
[19]
- Die erste Schicht ist die der „Geräte“, die technische Präsenz eines
Mediums. Diese Objektschicht umfasst reale Gegenstände, Hardware, Maschinerie
und auch konkrete Institutionen, wie Fabriken oder Behörden. Sie beinhaltet
den Zweck eines Mediums, beispielsweise die Übertragung oder Speicherung.
- Die zweite Schicht ist die des „Dispositivs“. Das Dispositiv ist
im engeren Sinne eine „...Anordnung von Körpern, Oberflächen, Lichtern
und Blicken; in einer Apparatur, deren innere Mechanismen das Verhältnis
herstellen, in welchem die Individuen gefangen sind.“
[20] Diese Zusammenballung von Bedingungsgefügen kann erstens als
physische Anordnung und zweitens als kognitive Prägung verstanden werden,
welche das Verhalten von Menschen determiniert.
- Die „Symbolische Form“ [21] bildet die dritte Schicht,
jene, die den von einem Medium vermittelten Weltzugriff darstellt. [22] Die Schicht des Symbolischen beinhaltet die Möglichkeit der
Sinnstiftung. Sinn „...nicht mehr als Bezug auf Höheres, Äußeres, sondern
als Voraussetzung gemeinschaftlichen, temporalisierten und sachbezogenen
Handelns überhaupt.“ [23]
Medien bestehen demnach gleichzeitig aus ihrer Technik, die ihre Funktion
prägt, aus ihrer Struktur, die, als Teil der Lebenswelt, die Wahrnehmung
prägt, [24] und, durch sinnhaftes Handeln [25] in ihrer symbolischen Form geprägt, auch
aus ihrer Kultur. Sie sind das „...Verschiedene im Selben...“ [26] , welches sich in den drei Kräftefelder systematisieren lässt,
in denen sich ein Medium ausbildet und wirkt. [27] Erst das Mediale als Einheit dieser Binnendifferenzen
zu betrachten, erlaubt eine vielschichtige und doch strukturierte Analyse
der Medien-Zeit, die demnach wie folgt definiert werden kann: Medien-Zeit
ist die Einheit der zeitlichen Differenzen, die aus den Schichtungen des
Medialen hervorgehen.
[28]
Abbildung 8 - Die medialen
Schichten der Medien-Zeit
In diesem Verständnis dient die in Abbildung 8 dargestellte Strukturierung
der Medialität im folgenden als Basis für die Analyse der Medien-Zeit.
Dabei wird untersucht, wie ‚herkömmliche’ chronometrische Zeiten der Medien-Technik
zu zeitlichen Dispositiven führen, welche sinnstiftend symbolisch überformt
werden und somit neue Zeitkonzepte in der Mediennutzung generieren. [29]
3.2 Technische Medien-Zeit
»Film ist 24mal Wahrheit pro Sekunde«
Jean-Luc Godard [30]
Aufbauend auf dem beschriebenen Sender-Empfänger-Modell lässt sich die
technische Medien-Zeit in die zeitliche Codierung eines bewegten Inhaltes,
die zeitlichen Vertaktung des Apparates und die Dauer der Übertragung
aufteilen. Maßgebend für alle diese technischen Zeitlichkeiten sind zeitliche
Intervalle, [31] die im folgenden als Bewegungsintervall, technisches Intervall
und Übertragungsintervall erläutert werden.
3.2.1 Bewegungsintervall
Das Bewegungsintervall soll anhand der ersten Medientechnik, welche die
Zeit im Namen trägt, erläutert werden: Der Chronophotographie. Eingebettet
in die neuen Zeiterfahrungen des späten 19. Jahrhunderts, [32] war die Chronophotographie die erste Technik
zur detailgetreuen Abbildung von Bewegungen. [33] Die ursprüngliche Intention der Chronophotographie galt zunächst
der wissenschaftlichen Erkundung des Bewegungsapparates, wie Abbildung
9 zeigt. Die von Eadweard Muybridge und Jules Marey nahezu parallel entwickelten
Verfahren waren so nicht mehr nur Foto und doch noch nicht Film. [34]
Abbildung 9 - Reihenfotografie
eines Reiters von Eadweard Muybridge
[35]
Die Darstellung von Zeit über die Zerlegung einer Zeitspanne in diskrete
Einheiten ist als grundlegendes Prinzip der medialen Darstellung von Zeit
zu betrachten: Die Vermittlung von Zeit erfolgt beispielsweise in den
Sekunden der Uhr, den Einzelbildern des Films oder in den Buchstaben der
Schrift in abstrakten, technisch generierbaren Einheiten.
[36] Demnach können Medien, von der Sprache bis zum Computer, nie
ohne zeitliche Komponente existieren. Die Abstraktion des Medialen hat
in der ausdehnungslosen Einheit des digitalen Rasters zwischen Null und
Eins vorerst ihr kleinstes Element gefunden. Denn um Null und Eins voneinander
zu unterscheiden, benötigt es ein digitales Intervall als kleinste zeitliche
Einheit der Medien, welches auch durch die ‚Echtzeit’ der Digitalität
nicht verschwinden kann. Diese Intervalle zwischen den internen technischen
‚Zuständen’ eines Mediums machen folglich die zeitliche ‚Substanz’ eines
Mediums aus.
3.2.2 Technisches Intervall
In Abgrenzung zur den Medien der Gutenberg-Galaxis haben elektronische
Medien, wie der Film, das Fernsehen, Hörfunk und der Computer besondere
zeitliche Intervalle, die in ihre Funktionsweise eingeschrieben sind.
Diese technischen Intervalle sind in Einheiten der Sekunde und ihrer Bruchteile
mathematisierbar und physikalisch in Taktfrequenzen wie Bilder/Sekunde,
(Mega-) Hertz, Baud, etc. abbildbar. Sie bilden die Grundlage für die
Wahrnehmungsmöglichkeiten von Medien. [37]
Der Film benötigt beispielsweise eine mechanische Unterbrechung der Bilder
durch den ‚blinden’ Abstand auf dem Filmstreifen und einen Stroboskopeffekt,
welcher durch das Malteserkreuz gewährleistet wird.
[38] Die Bildpunkte des Fernsehens sind wiederum in Zeilen und Spalten
organisiert, welche zeitlich sukzessive ‚erscheinen’, aber als ganzheitlich
und zeitlich simultan aufgenommen werden. Das wahrgenommene Fernsehbild
generiert sich jedoch nicht aus der räumlichen Verteilung spatialer Bildpunkte
im Kontrast zu den Leerflächen – wie dies beispielsweise bei einem gerasterten
Zeitungsfotodruck der Fall ist – sondern nur in der Wahrnehmung
der zeitlichen Abfolge der sich ausbildenden, wandelnden oder verschwindenden
Bildpunkte. [39]
Diese Zeitlichkeiten sind sozusagen in die technischen Grundfunktionen
von Medien eingeschrieben. Es sind diese technischen, medieninternen Intervalle
erster Ordnung, welche es möglich machen, dass wir Schrift lesen, das
Fernsehbild erkennen, Sprache verstehen und Bewegung im Film wahrnehmen
können. Über diese internen Gerätezeiten der ‚Hardware’ hinaus, gibt es
jedoch auch eine zweite Ordnung der Intervalle: Die Übertragungsintervalle.
3.2.3 Übertragungsintervall
Die Länge der Übertragungsintervalle ist die technische Voraussetzung
der Vermittlungsgeschwindigkeit von Medien. Systematisiert lässt sich
dies an einem Modell von Götz Großklaus erläutern, welcher vier ‚Medien-Zeit-Fenster’
beschreibt: [40] I. Aufzeichnen/Selektieren, II. Aktualisieren/Inszenieren,
III. Speichern und IV. Reaktualisieren. Der Ablauf des technisch-elektronischen
Transfers von Daten und Bildern wird durch die Länge der zeitlichen Intervalle
bestimmt, welche zwischen den einzelnen Phasen liegen und in der Abbildung
durch i1 bis i4 dargestellt sind.
[41]
Abbildung 10 - Übertragungsintervalle
Erklärt man die in der Grafik abgebildeten vier Medien-Zeit-Fenster am
Beispiel des Nachrichtentransfers, so befindet sich für den Mediennutzer
das sogenannte Gegenwartsfenster (II) – beispielsweise das, was er z.B.
aktuell auf dem Bildschirm sieht – tendenziell in einem Verhältnis von
früher zu III oder später zu I. Bei einer Live-Schaltung im Rundfunk können
die Intervalle zwischen Aufzeichnen/Selektieren, Aktualisierung/Inszenieren
und Speichern (i1 und i2) gegen Null tendieren. [42] Im Internet würde man hingegen
von Real-Time Übertragung sprechen, wenn das Intervall i3, d.h. die Zeit
der Reaktualisierung aus dem Speicher über eine elektronische Datenleitung
gegen Null tendiert. Ist ein Bild erst in einen Speicher abgesunken, [43] kann es dort unbestimmte Zeit ‚verweilen’,
bevor es reaktualisiert und erneut selektiert wird, um auf dem ‚Gegenwartsmonitor’
der Medien zu erscheinen.
Die beschriebenen technischen Zeitlichkeiten der Medien: die Bewegung,
die Vertaktung und die Übertragungsgeschwindigkeit, stellen die materiell-zeitliche
Grundlage dar, auf der die Dispositive der Medien-Zeit entstehen.
3.3 Dispositive der Medien-Zeit
»Raum und Zeit sind Denkweisen, die wir benutzen.
Raum und Zeit sind nicht Zustände, unter denen wir leben.«
Albert Einstein [44]
Dispositive der Medien-Zeit werden als Zeitgestalten, d.h. als zeitliche
Anordnungen, welche Medien ausformen, verstanden. Diese Zeitgestalten
entstehen durch die Korrelation der technischen Determinanten eines Mediums
mit dem vorherrschenden kategorialen Zeitbewusstsein der Gesellschaft.
Wie in der folgenden Darstellung schematisiert, können diese Medien-Dispositive
in Dauer und Geschwindigkeit, sequentielle Struktur und zeitliche Perspektive
unterteilt werden:
Abbildung 11 - Die Dispositive
der Medien-Zeit
Diese einzelnen Zeitgestalten der Medien-Dispositive unterliegen ihrerseits
u.a. einem ökonomischen, einem ästhetischen [45] und einem technischen Dispositiv, welche durch die jeweils
aktuelle Zeitauffassung der Gesellschaft geprägt sind. So unterliegen
Dauer und Geschwindigkeit stärker technischen Zwängen, die sequentielle
Struktur mehr ästhetischen Gesichtspunkten und die zeitliche Perspektive
deutlicher ökonomischen Gesichtspunkten. Jedoch kann keine dieser Zeitgestalten
ausschließlich einem dieser Dispositive zugeordnet werden, da die Veränderung
des Einen immer eine Veränderung im Anderen nach sich zieht.
3.3.1 Dauer und Geschwindigkeit
Bezeichnet Dauer die Maßeinheit von abgrenzbaren Einheiten, so ist die
Geschwindigkeit das Maß für die Verkettung dieser Teile. Dies deutet auf
die enge Verknüpfung der medialen Gestalt der Geschwindigkeit mit jener
der Dauer hin. Denn je kürzer die Dauer aufeinander folgender medialer
Formen ist, um so höher ist ihre Geschwindigkeit. Diese chronometrische
Dauer ist die messbare ‚objektive’ Dauer einer medialen ‚Einheit’, in
welcher ein Medium genutzt oder wahrgenommen wird. Es ist dabei unerheblich,
ob man beispielsweise einen vollständigen Film betrachtet oder nur eine
Einstellung desselben Filmes. [46]
Dauer und Geschwindigkeit unterliegen darüber hinaus der individuellen
Zeitwahrnehmung. Beispielsweise wird versucht, über die Art und Anwendung
der sequentiellen Struktur, welche im folgenden Abschnitt beschrieben
wird, einem Film eine eigene Geschwindigkeit zu ‚geben’ und über die ‚Schnittgeschwindigkeit’
Spannung zu generieren. [47] Ein Kinofilm wird vom Konsumenten
somit nicht nach der chronometrischen Dauer in Minuten, sondern nach der
individuellen Dauer des Films bewertet, welche in der kompletten Sphäre
von „langweilig“ bis „atemberaubend“ verlaufen kann. Der Unterhaltungswert
von Kino- oder Fernsehfilmen basiert demnach geradezu auf der Ungleichwertigkeit
von chronometrischer und individueller Dauer.
[48]
Elektronische Medien benötigen aufgrund ihrer technischen Struktur eine
messbare Dauer zur Übermittlung ihrer Inhalte. Jeder Konsument sieht beispielsweise
einen Film 90 Minuten lang und wartet – gleiche technische Ausstattung
vorausgesetzt – die gleiche Zeit auf den Aufbau einer Internetseite. Printmedien
haben hingegen keine festgelegte Dauer zur Übertragung der Information.
Dadurch kann die individuelle Konsumlänge variieren. Auch Printmedien
versuchen jedoch die potentielle ‚Geschwindigkeit’ ihrer Rezeption zu
erhöhen. So wurde die Verbreitung des ‚langsamen’ Mediums Schrift durch
den Buchdruck [49] erheblich erhöht und die Rezeptionsgeschwindigkeit
über eine verbesserte Typografie gesteigert, d.h. die Geschwindigkeit
des Lesen und Schreibens wurde nach funktionalen Gesichtspunkten optimiert. [50]
Mediale Zeitlichkeiten entfalten demnach über ihre technischen Vorraussetzungen
spezifische Dauern, welche, wie erwähnt, trotz ihrer chronometrischen
Messbarkeit individuell wahrnehmbar sind. Zur Darstellung dieser Dauern
benötigen Medien eine sequentielle Struktur.
3.3.2 Sequentielle Struktur
Die sequentielle Struktur trägt der Tatsache Rechnung, dass sich nicht
alles gleichzeitig mitteilen lässt.
[51] Die Vermittlung von ‚etwas’ muss demnach sequenziert werden,
wodurch Komplexität ‚temporalisiert’ wird. [52]
Dieses Problem der zwingenden zeitlichen Determinierung ist bereits im
‚Urmedium’ der Sprache [53] wiederzufinden, denn die sprachliche
Darstellung ist immer linear, d.h. Sprache verzeitlicht zwangsläufig alles.
Über die Rhetorik, Grammatik und Semantik hinaus, hat die Sprache jedoch
eine hohe temporale Leistungsfähigkeit entwickelt, denn Gleichzeitiges
kann sprachlich ebenso ausgedrückt werden, wie nicht unmittelbar aufeinanderfolgende
und doch zusammengehörende Teile einer Aussage. Zeitliche Spannungsbögen
und Erwartungshaltungen können so durch die Struktur der Sprache aufgebaut
werden. [54] Die einzige Limitierung der
zeitlichen Darstellung der Sprache trägt die Sprache in sich selbst, da
sie die Begriffe und Denkweisen determiniert, in denen über Zeit ‚gesprochen’
werden kann. [55]
Darüber hinaus verfügt jedes Medium über unterschiedliche Techniken,
Inhalte nach einem eigenen Muster zu sequenzieren. So folgt ‚innere’ Sequenzierung
den Prinzipien der Montage, ‚äußere’ Sequenzierung, den Prinzipien
des Programming, und inhaltliche Sequenzierung den Prinzipien der Serialität
von Medieninhalten. [56]
Montage
Zur Erläuterung des zeitlichen Prinzips der Montage
[57] wird im folgenden exemplarisch auf das Beispiel des Films zurückgegriffen,
der eine feste zeitliche Abfolge bietet, in welcher die Elemente der Kadrierung
[58] in eine lineare Abfolge von Sequenzen gebracht werden. Die Montage
eines Filmes besitzt einen doppelten zeitlichen Charakter, da sie sich
aus der empirisch messbaren Zeit einer äußeren Bewegung – d.h. der Dauer
einer Einstellung – und der Zeit der inneren Bewegung – beispielsweise
der Dauer und Geschwindigkeit einer Kamerafahrt – zusammensetzt. [59]
Diese chronometrischen Zeiten allein sind jedoch nicht das, was als filmische
Zeit [60] beschrieben werden kann. So ist die reine
Abfolge von Bildern lediglich ein „Bewegungsbild“, aber noch kein „Zeitbild“. [61] Dies entsteht erst durch die
Montage, welche die Bilder des Films ‚in der Zeit’ organisiert. Die zeitliche
Folge des linearen ‚Vorher-Nachher’ kann in der Montage aufgehoben werden
und durch Rückblenden, Vorblenden, Parallel- und Schachtelmontagen, Rückwärtslauf,
Zeitraffer und Zeitlupe etc. neu kombiniert werden.
[62] Durch die Montage entsteht zunächst ein indirektes zeitliches
Filmbild. Erst der Zuschauer nimmt die Zeitlichkeit des Films war, indem
er die einzelnen Einstellungen der Montage innerhalb des Films in Bezug
zueinander setzt [63]
und darüber hinaus Bezug zu seiner individuellen – symbolisch überformten
– Zeitperspektive herstellt, um den Sinn des Filmes zu generieren.
[64] Darüber hinaus können im Film verschiedene Vergangenheitsschichten
gezeigt werden, die als alternative, gleichwertige Vergangenheiten angeboten
werden, welche alle gleichermaßen filmisch wirklich sein können, obwohl
sie chronometrisch unmöglich sind. [65] Die Zeit des Films setzt sich dementsprechend
aus der chronometrischen Dauer und der individuellen Interpretation der
Montage, der spezifischen Film-Zeit zusammen. [66]
Über den Film hinaus ist die Montage eine tief verankerte Kulturtechnik,
welche sich über den Film hinaus in Theater, Literatur
[67] , Musik, Architektur, Hörspiel, Fernsehen sowie in Flash-Animationen
wiederfindet. [68]
Die Produkte dieser inhaltlichen Sequenzierung können zudem in eine äußere
Zeitfolge gebracht werden, um sie in einem entsprechenden Programmrahmen
verfügbar zu machen.
Programming
Über die Montage hinaus ist das Programming
[69] eine zweite Form der Sequenzierung, welche Einzelbeiträge in
ein zeitlich vorgefertigtes Muster für den Rezipienten bringt.
[70] Von ‚weiten’ Programmkonzepten der Kino- und Theaterprogramme,
welche jährlich, monatlich und/oder wöchentlich geplant werden, über ‚feinere’
Programmkonzepte, welche bis in die Unterteilung der Stunde gehen, wie
z.B. beim Fernsehen [71]
und Hörfunk, bis zur buchstäblichen internen ‚Programmierung’ digitaler
Inhalte folgen Medienprodukte einem chronologisch ablaufenden Programm.
Die zeitliche Reihenfolge der Programmzeit ist dabei keineswegs homogen
oder beliebig, sondern erfolgt aus der engen Verschränkung der technischen
Möglichkeiten und der etablierten Zeitinstitutionen der Uhrzeit und der
Kalenderzeit. Lineare und zyklische Zeitstrukturen spielen demnach im
Programming eng zusammen.
Die Programmvorgaben eines Mediums sind dabei abhängig von seiner Technik
und der kulturellen Erwartung, welche durch die sinnstiftende symbolische
Formung entsteht. Hier wird die Schnittstelle deutlich, welche das Dispositiv
zwischen der technischen und der symbolischen Kraft eines Mediums bildet.
Diese Schnittstelle zeigt sich bereits im Wandel der Programmgeschichte
des frühen Kinos. So bestanden beispielsweise die Filmvorführungen der
Brüder Lumière 1895 nicht aus abendfüllenden Spielfilmen, sondern aus
zehn bis fünfzehn oft nur drei Minuten langen Filmen, die in varietéähnlicher
Situation im Grand Café in Paris gezeigt wurden. Bald darauf entwickelten
sich eigene Programmstrukturen, wie die Wochenschau, der Kulturfilm und
der Spielfilm. [72] Diese
Programmstrukturen wurden durch das Fernsehen übernommen
[73] und teilweise gänzlich substituiert, da das Fernsehen aufgrund
seiner kürzeren Produktionsprozesse Informationssendungen und Nachrichten
zeitnäher gestalten konnte.
[74]
Die Produktions- und Übertragungsgeschwindigkeit des Fernsehens hat in
der Folge zur dominantesten Ausprägung von Programmzeiten geführt, die
nicht nur zur Strukturierung der Inhalte, sondern auch zu einer inhaltlichen
Gewichtung geführt haben. Diese inhaltliche Gewichtung, wie beispielsweise
die Prime-Time im Fernsehen oder das Morgenradio im Hörfunk stellt
im Wesentliche ein sinnhaftes Konstrukt dar, über das Zeitlichkeit im
Alltagskontext vermittelt wird. Während die Prime-Time ein stabiles zeitliches
Konstrukt der redaktionellen Medien geblieben ist, hat besonders die Ausfüllung
der sogenannten fringe hours
[75] dazu geführt, dass Rundfunkmedien tendenziell als „Medien ohne
Pausen“ bezeichnet werden. [76]
Starke Unterschiede im zeitlichen Programming entfalten sich über die
materiellen Speichereigenschaften von Medien. Beispielsweise sind Fernsehen
und Rundfunk in ihrer Grundkonzeption flüchtig, d.h. bei ‚Nicht-Einhaltung’
der vorgegebenen Zeit sind die Inhalte für den Konsumenten verloren. [77] Im Gegensatz dazu können Printmedien ihre Angebote nur im
Raum (auf dem Papier) verteilen, wodurch sie allerdings auch eine größere
zeitliche Unabhängigkeit bieten. Trotz der strengen zeitlichen Linearität
des Lesens sind es so auch die Zeitungen, welche es durch die Nicht-Flüchtigkeit
des Papiers und die Anordnung der Texte im Mosaik-Layout [78] ermöglichen, eine eigene zeitliche Priorität
und Reihenfolge einzuhalten, indem Abschnitte ausgelassen, überblättert
oder schlicht später gelesen werden können.
Von der inneren Sequenzierung der Montage und der äußeren Sequenzierung
des Programming, lässt sich die inhaltliche Sequenzierung der Serialität
abgrenzen.
Serialität
Serialität lässt sich nicht nur als Analyse von einzelnen Medienformaten,
wie der Fernsehserie, verstehen, sondern kann, wie die Montage und das
Programming auch, als medienübergreifende Kulturtechnik gewertet werden.
[79] Serialität lässt sich in die „Serienproduktion der Objekte“
und die „Serienproduktion der Inhalte“ unterscheiden. [80] Während die Serienproduktion
im Sinne der Massenproduktion von besonderem ökonomischen Interesse ist,
ist die inhaltliche Serialität – primär als ‚Wiederkehr’ begriffen – konzipiert,
um Medien-Ereignissen ihre Okkasionalität zu nehmen und sie damit zu etwas
für den Konsumenten Vertrauten zu machen.
[81]
Jedwede mediale Serialität [82] baut so auf intertextuelle
Zitate [83] auf. Der Reiz des Seriellen besteht in der
Verknüpfung eines Medieninhaltes mit anderen bereits rezipierten Medieninhalten,
welche in die „Enzyklopädie“
[84] des Mediennutzers eingegangen sind. Neue Informationen werden
somit ständig mit alten abgeglichen, beziehungsweise das Lernen von Neuem
funktioniert nur über die Bezugnahme auf Altes. [85]
Medien übernehmen durch die Serialisierung von Inhalten vorkategoriale
Zeitstrukturen, welche durch die relative Abgeschlossenheit einzelner
Episoden und der periodischen Wiederkehr – analog zu Jahreszeiten, Tag
und Nacht – die Tendenz zur Unendlichkeit haben. Diese potentielle Unendlichkeit
wird nicht eintönig, da mediale Serialität eben doch nicht auf reiner
Wiederholung aufbaut, sondern auf tendenziell endlosen Variationen eines
Schemas. [86] Die Innovation der medialen Serialität verbirgt sich vor allem
im ästhetischen Stil, mit der das Mediale auf vertraute Schemen aufbaut.
[87] Die mediale Serialität wird demnach durch Informationen konstituiert,
welche Medien verbreiten, indem sie voraussetzen, dass es andere Medien
bereits vor ihnen getan haben. [88]
Wie dargestellt sind Montage, Programming und Serialität medienübergreifende
Formen der zeitlichen Strukturierung. Diese Strukturen bieten dem Konsumenten
eine zeitliche Vorgabe, indem sie durch die Montage ihre Inhalte zeitlich
gestalten, in Form eines Programms diese Inhalte zeitlich planbar präsentieren
und anhand von seriellen Formen zeitliche Diskontinuität in eine zyklische
Kontinuität umsetzen. Über dieses Angebot der zeitlichen Strukturierung
hinaus generieren sie eine zeitliche Perspektive.
3.3.3 Zeitliche Perspektive
Die zeitliche Perspektive von Medien ist in ihrem Verhältnis zu Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft zu betrachten. Eines der wesentlichen Elemente der
perspektivischen Verortung von Medien ist deren Aktualität.
[89] Wie dargelegt wurde, lässt sich der Begriff der Aktualität in
seiner technischen Dimension als die schnelle Übermittlung eines Ereignisses
in einem Medien-Zeit-Fenster beschreiben. [90] Aktualität generiert sich demnach aus der
‚Gleichzeitigkeit’ von Ereignissen, deren Darstellung auf technisch synchronisierten
Medien beruht. [91] Dieser
‚Live’-Charakter der synchronen Übertragung prägt im Alltagsgebrauch immer
noch den ‚Wert’ der aktuellen Nachricht in sich.
[92] Die globale Vermittlung eines gemeinsamen, gleichzeitigen Zeitraums
wurde über die Institution der Weltzeit hinaus durch die weltweit operierenden
Nachrichtensender [93]
und das Internet weiter verstärkt. Doch Aktualität verweist nicht ausschließlich
auf eine chronometrische Qualität, sondern auf den Gegensatz zum nur Möglichen,
dem Potentiellen oder Virtuellen. Aktualität ist im medienzeitlichen Sinne
dementsprechend zweigeteilt: Die technische Übertragung impliziert Zeitgleichheit
und Simultanität, und die Speicherfunktion der Medien ermöglicht das Aktualisieren
von zeitlich entfernten Ereignissen, wodurch Medien als historiographisches
Archiv [94] dienen können. [95] Da allerdings nur über Speichermedien Geschichte überhaupt
aufbewahrt werden kann, [96]
unterliegt die gesamte Vermittlung des expliziten gesellschaftlichen
Wissens den Möglichkeiten, die Medien zur Speicherung und Darstellung
bieten. [97]
Die Ergänzung der frühen Übertragungstechnik Fernsehen durch verbesserte
Speichermöglichkeiten löste das Fernsehen über sehr weite Strecken von
der simultanen Übertragung [98] und bietet dem Fernbedienungsanwender
heute stattdessen reaktualisierte Inhalte als Information oder Unterhaltung
aus den letzten 100 Jahren.
[99] Allein das Wissen um die technische Möglichkeit der Gleichzeitigkeit
bestimmt somit die Erwartungshaltung, dass das Fernsehen auch in Zukunft
aktuell sei.
Aus diesem Grund kommt der Periodizität ein hoher Stellenwert beim Bezug
der Medien auf die Zukunft zu. In Abgrenzung zur Serialität bezeichnet
die Periodizität nicht einen inhaltlichen Zusammenhang, sondern eine zeitlich
starre Struktur eines Mediums, die stark an die Sekundärinstitutionen
der Zeit (Uhrzeit und Kalenderzeit) gebunden ist [100] und beispielsweise dessen
tägliches, wöchentliches oder monatliches Erscheinen festlegt. Periodizität
erleichtert chronometrische Aktualität durch Internalisierung des Wettbewerbsdrucks
in zeitlichen Normen. [101]
Dem Konsumenten gegenüber verschafft sie eine Stabilisierung seiner
Erwartungen gegenüber der Zukunft, da er sich darauf verlassen kann, dass
es 20.00 Uhr ist, wenn die Tagesschau anfängt, oder Montag ist, wenn der
Spiegel kommt.
Die Dispositive der Medien-Zeit basieren folglich auf dem kategorialen
Zeitmuster der vorgestellten Zeit-Institutionen und verfestigen diese
gleichzeitig. War dieser Prozess jedoch vormals auf das zeitliche Dispositiv
des Mediums Uhr beschränkt, arbeiten nun auch die Dispositive der Massen-Medien
als ‚Uhren’ und prägen dadurch das relevante kategoriale Zeitmuster der
Gesellschaft. [102] Diese Uhren nach denen das Individuum seinen
Weltzugriff organisiert, beruhen deshalb nicht mehr nur auf der mechanischen
Uhr und dem Kalender, sondern sind erweitert durch die „...symbolisch-repräsentativen
Entitäten [...], die wir Medien [...] nennen.“ [103]
3.4 Symbolische Formen der Medien-Zeit
»Alles Bewußtsein stellt sich uns in Form eines zeitlichen
Geschehens dar...«
Ernst Cassirer [104]
Wurde bis hierher gezeigt, dass die technischen Determinanten der Medien-Zeit
mediale Dispositive bilden, deren Funktion „...darin besteht, das jeweils
gültige Konzept kategorialer Zeit symbolisch zu manifestieren“ [105] , so wird im folgenden dargelegt, wie Individuen
diese medialen Dispositive sinnstiftend anwenden, um die Welt über sie
zu erschließen. Der ‚Weltzugriff’ über Symbole folgt dabei der Logik,
dass sich die Wirklichkeit nur über menschlich konstruierte Symbolwelt
erschließen kann: „Durch sie allein erblicken wir und in ihnen besitzen
wir das, was wir die »Wirklichkeit« nennen: denn die höchste objektive
Wahrheit, die sich dem Geist erschließt, ist zuletzt die Form seines eigenen
Tuns.“ [106] Wie beschrieben, bedingt die gesellschaftliche
Konstellation eine Koordination von Individuen in der Zeit. Da Menschen
aber kein ‚Sinnesorgan’ für Zeit haben, konstruieren sie Zeit, indem sie
sich über sozial institutionalisierte Medien, [107] wie die Uhren und den Kalender, auf kulturspezifische
Weise zueinander in Beziehung setzen. [108]
Wie in Kapitel 2 gezeigt, unterliegen die kulturellen Konzepte einer
Gesellschaft der Verfertigung ihrer zeitlichen Gewohnheiten. Folgt man
der vorgestellten Logik des Medialen, so wirken Medien, von ihrem Zweck,
beispielsweise zeitliche Intervalle zur Generierung eines Bewegungsbildes
einzusetzen, zum kulturellen Sinn, der durch diese Praktiken ausgelöst
wird. [109] Die zunehmend
wahrgenommene Beschleunigung von Medienprodukten lässt so die Medien-Zeit
häufig ausschließlich unter dem Licht der gesellschaftlichen Beschleunigungstheorie
– allen voran Paul Virilios Dromologie
[110] – erscheinen. [111] Diese Debatte unterstellt durch eine implizite Kultivierungsthese
die Übernahme medialer Geschwindigkeiten [112] in individuelles Handeln. Der direkte Zusammenhang
zwischen gesellschaftlicher und medialer Geschwindigkeit ist jedoch nicht
belegbar. [113] Durchaus
belegbar ist jedoch, dass mediale Geschwindigkeiten erlernbar sind und
auf andere Medien übertragen werden. [114] Demnach gibt es ein Angebot
von Zeitlichkeiten, welches von Rezipienten angenommen wird. Im folgenden
steht dementsprechend nicht die kulturtheoretische Debatte der Beschleunigung,
sondern vielmehr die Frage, wie Individuen mit den Zeitgestalten der Medien
umgehen, im Mittelpunkt. Bei dieser Betrachtung muss beachtet werden,
dass Individuen sich nicht nur in einem zeitlichen Dispositiv bewegen,
sondern in einem Chronotop – einem Netzwerk von Zeitlichkeiten [115] - in denen sie sich unterschiedlichen Zeitdisziplinen
anpassen, eigene Zeitstrategien und Zeittaktiken entwickeln und anwenden.
[116] Diese komplexen Zeitlichkeiten werden hier nur in einer Hinsicht
untersucht: Welchen Sinn erfüllen die zeitlichen Mediendispositive für
den Rezipienten bzw. was tragen Medien zur Individualzeit bei? Aufbauend
auf dem bisher dargelegten wird davon ausgegangen, dass Medien wie in
der folgenden Grafik dargestellt, zwei zeitliche Möglichkeiten zur Sinnproduktion
anbieten: Die zeitliche Strukturierung und somit Orientierung und die
zeitliche Relativierung, d.h. Flexibilisierung von Zeitlichkeiten.
Abbildung 12 - Die symbolischen
Formen der Medien-Zeit
3.4.1 Zeit strukturieren
Die Mediennutzung stellt eine komplexe Integrationsleistung der einzelnen
Individuen dar, die ihre Individualzeit im Chronotop ihrer sozialen Bezüge
ausbalancieren und für sich selbst zu einer sinnvollen und praktikablen
Struktur formen müssen.
[117] Die festen Zeitvorgaben der massenmedialen Programme ermöglichen
dabei mindestens zwei Nutzungsformen: die habituelle Nutzung und
die ritualisierte Nutzung. Durch Habitualisierung und Ritualisierung
kann dem Alltag im Tages- und Wochenverlauf ein bestimmter Rhythmus gegeben
werden. [118] Die habitualisierte
Mediennutzung verläuft nach individuellen Routinen, welche nicht erzwungen
sind, gleichwohl aber aus einer sozial erlernbaren Handlungsform bestehen
und so zur Entlastung von Entscheidungs- und Zeitdruck beitragen, indem
bewusst auf wiederholt erprobte Handlungsmuster zurückgegriffen wird.
Die ritualisierte Mediennutzung hingegen folgt der Intention kommunikativ
zu handeln und sozialen Kontakt herzustellen.
[119] Auch diese beiden Handlungsformen sind nicht scharf voneinander
zu trennen, da sie beide gemeinsame Ziele verfolgen können: Die ritualisierte
Mediennutzung des vorgegebenen Programming gibt der Serialität von Medien
eine spezielle Sinnkonfiguration, da über die Gemeinsamkeit sowohl sozialer
Kontakt, als auch soziale Anschlussfähigkeit generiert werden können.
Die habitualisierte Mediennutzung kann sowohl unter dem Aspekt der Gewöhnung,
aber letztlich auch unter dem Aspekt der Anschlussfähigkeit gesehen werden.
[120]
Habituelle Mediennutzung folgt dabei eher der zeitlichen Perspektive
eines Mediums. Beispielsweise wird durch die periodisch wiederkehrende
Aktualität der Nachrichten das einmalige, unerwartete Ereignis regelrecht
erwartbar [121] und schafft so über die diskontinuierliche
Aktualität kontinuierlich Anschlussfähigkeit. Habitualisierte und ritualisierte
Mediennutzung können somit zum Einen der Verortung von Subjekten in der
Zeit und zum Anderen der Verortung in der Gesellschaft dienen.
Durch die Synchronisation von öffentlicher und privater Zeit mittels
Massenmedien [122]
können Medien-Ereignisse als soziale Gleichzeitigkeit konstruiert und
erfahren werden. [123] Diese kulturelle Synchronisierung über die wiederkehrende
Nutzung eines gemeinsamen Zeitraums kann zur Herstellung subjektiver Sicherheit
beitragen, da sich der Mediennutzer über die Medien mit der gesellschaftlichen
Zeit verbindet, [124]
gleichwohl ‚in der Zeit’ ist und sich immer wieder über die bestehende
Ordnung absichern kann. [125]
Doch würde die sinnvolle Anwendung von Medien-Zeit in der Annahme eines
vorgegebenen Programms enden, dann wäre Medien-Zeit nicht mehr als eine
nachgeordnete Funktion der allgemeinen sozialen Zeitordnung.
[126] Vielmehr ist das Erleben und der Umgang mit Medien-Zeit als
ein aktives, intentionales, sinnkonstruierendes soziales Handeln zu verstehen,
welches weit über die schlichte Annahme vorgegebener Zeit hinaus geht. [127]
3.4.2 Zeit relativieren
Die Programme der Massenmedien vermitteln mit ihrem fest vertakteten
Angebot an zeitlichen Strukturen das abstrakt-lineare Zeitverständnis
der Moderne. [128] Die Zeit in den Medien vergeht, und es
ist dem Konsumenten überlassen, ob er sie wahrnimmt oder nicht. Wenn er
sie wahrnimmt, so geschieht dies häufig unter den rationalen Gesichtspunkten
der Auffassung ‚Zeit ist Geld’. Die ökonomische Gestaltung der Zeit führt
jedoch dazu, dass auch die Freizeit unter denselben Gesichtspunkten organisiert,
geplant, kalkuliert, aufgeteilt und somit einer „rationalen Erholung“ [129] unterzogen wird. Aus diesem ökonomischen
Verwendungszusammenhang ergibt sich jedoch ein Paradox: „Je mehr Zeit
wir gewinnen, umso effektiver müssen wir sie einsetzen. Zeitnot des Alltags
ist also nicht das Ergebnis inkompetenten Umgangs mit Zeit, sondern im
Gegenteil Ergebnis des rationalen Umgangs mit ihr.“ [130] Der rationale Umgang mit Zeit bedingt, dass sich der Bezug
von Zeit auf ihre Verwendung in einem Kontinuum von ‚zu viel Zeit haben’
– Langeweile [131]
– und ‚zu wenig Zeit haben’ – Zeitnot – aufspannt. Unter diesen gesellschaftlichen
Zeitvorstellungen haben Individuen im alltäglichen Umgang mit Medien Strategien
entwickelt, die sie bewusst oder unbewusst anwenden, um den „Diktaten
der Uhr“ [132] zu entkommen, und ihre Individualzeit in
Relation zu ihren wechselnden Bedürfnissen zu gestalten.
Eines der Bedürfnisse, welches aus rationaler Verwendung von Zeit entsteht,
ist demnach die Vernichtung von Langeweile.
[133] Medien dienen durch die sogenannte Interimsnutzung der
Überbrückung von nicht genau vorhersehbaren und zeitlich unstrukturierten
Zeitspannen des Tages oder gar ganzer Lebensphasen. [134] Die Langeweile als ungewollte ‚unproduktive’
Zeit [135] liegt nun
ihrerseits sehr nah an der ‚gewollten’ [136] unproduktiven Zeit, der
Muße. [137] Das Eigentümliche dieser Art der Mediennutzung
liegt nun darin, dass das ursprünglich vorgesehene Zeitmaß der Nutzung
häufig nicht eingehalten wird, man am Medium ‚hängen’ bleibt [138] und die Muße-Suche im Zeitstress endet. [139] Die Interimsnutzung ist
folglich fließend von der Abwehr von Langeweile durch Unterhaltung bis
zur Suche von ‚Auszeiten vom Rest der Welt’ zu finden.
Zur Relativierung der Zeitnot werden Medien für die Intensivierung von
Zeit eingesetzt und diese damit gespart oder verdichtet.
[140] Dies geschieht entweder durch die Parallelnutzung mehrerer
Medien oder die Erledigung von Paralleltätigkeiten [141] bei der Nutzung. Darüber
hinaus sorgen die immer kürzeren technischen Dauern der Übertragungswege
und die damit einhergehende Verkürzung der Medien-Zeit-Intervalle für
ein potentielles Zeitersparnis.
Um zwischen Zeitnot und Langeweile möglichst ausgewogen zu vermitteln,
bedienen sich Individuen durchaus differenzierter Taktiken, um ihre Nutzung
der Medien nicht mehr dem Programm der Anbieter zu überlassen, sondern
ihre eigenen Zeitstrukturen aufzubauen und sich gleichwohl eigene Programme
zu schaffen. Fernbedienung und Videorekorder sind ein häufig zitiertes
Beispiel für die Herstellung einer gesteigerten Zeitautonomie
[142] des Mediennutzers. Die Fernbedienung kann dabei verschiedene
zeitliche Funktionen erfüllen: Sie kann zur Erhöhung der Geschwindigkeit
des Bildertempos herangezogen werden, wie zur Auflösung des vorgegebenen
Programming der Fernsehanbieter. Durch Switching, Zapping und Grasing
[143] werden die vorgegebenen Zeitstrukturen aufgelöst und zu einem
neuen, individuellen Programm zusammengefügt. [144] Ergänzt wird dieses eigene
Programming durch den Einsatz von Speichermedien, wie dem Videorekorder,
der zeitversetzte Mediennutzung auch auf habitueller-, ritueller- oder
Interim-Basis zulässt. Auch die medialen Techniken der Individualkommunikation,
wie Mobiltelefon, Anrufbeantworter, E-Mail und Fax tragen zur zeitlich
variablen Gestaltung des Alltags bei.
[145] Durch die Neuen Medien verschieben sich die zeitlichen ‚Verfügungsrechte’
an Medieninhalten gänzlich von einer vorgeschriebenen Dauer und Sequenzierung
zugunsten der Mediennutzer. [146]
Durch die immer größeren Möglichkeiten der Erstellung von eigenen zeitlichen
Bezügen kann auch die habituelle und ritualisierte Mediennutzung der zeitlichen
Eigenverwaltung anheim gegeben werden.
[147] Die dadurch entfallende automatische Synchronisierung mit der
Gesellschaft schreibt dem Dispositiv der zeitlichen Perspektive eine erhöhte
Eigenverantwortung zu. Aktualität und Periodizität können im Informationsüberfluss
potentiell genauso selbst gewählt werden, wie die freiwillige Synchronisation
mit dem medialen Angebot. Die daraus entstehende zeitliche Selbstverortung
könnte als Grundannahme einer erhöhten historiographischen Nutzung von
Medien betrachtet werden, in welcher sich Individuen immer wieder durch
mediales ‚Festhalten’ ihrer eigenen Geschichte versichern. [148]
Wie und ob dieses vorerst technische Potential von Individuen genutzt
wird, hängt jedoch im hohen Maße von dem sie umgebenden Chronotop ab,
d.h. dem gesamten gesellschaftlichen und persönlichem Zeitlichkeitsgeflecht,
in dem ein Individuum handelt.
[149] Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die gesellschaftliche
Entwicklung langsam einen absoluten Zeitbegriff fallen lässt und rund
einhundert Jahre nachdem Einstein die Relativität der Zeit zu ihren Bezugsobjekten
in der Physik nachwies, [150] die kulturelle Bereitschaft dazu besteht, einen relativen
Zeitbegriff für das gesellschaftliche Leben zu etablieren. [151] Die Nutzung der Medien
und auch ihr Angebot wird sich aufgrund dieser kulturellen Bereitschaft
entwickeln.
Die Analyse der Medien-Zeit hat uns gezeigt, wie Medien auf Basis der
bereits institutionalisierten Medien Uhr und Kalender und dem daraus resultierenden
medial vermittelten kategorialen und linearen Zeitdispositiv der Gesellschaft
eigene mediale Zeitlichkeiten entwickelt haben, welche sinnstiftend von
Mediennutzern in ihren Alltag integriert wurden. Der Prozess der Verfertigung
der Zeit als gesellschaftliches Konstrukt, welches durch Medien geprägt
und geleitet wird, kann damit als Ergebnis menschlichen Handelns, aber
nicht menschlichen Entwurfs bestätigt werden. Wie festgestellt wurde,
findet die Verwendung von Medien-Zeit jedoch nicht nur auf der Basis ‚Zeit
ist Geld’ statt, indem nur Geschwindigkeit zählen würde, sondern durchaus
auch nach Aspekten der sozialen oder kulturellen Sinnverfertigung, die
in der Individualzeit Ausdruck finden. Demnach wird im folgenden versucht,
diese Strukturen in eine ökonomische Theorie einzubetten, bei der nicht
immer nur der ‚Schnellste’ der Gewinner sein wird.
[1] McLuhan, Marshall / Fiore, Quentin (1967): S.
41
[2] Vgl. Sobel, Dava (1995): S. 49-50
[3] Vgl. Hickethier, Knut (2002): S. 124
[4] Vgl. Hickethier, Knut (2002): S. 127
[5] Zitiert nach Borges, Jorge Luis (1986): S. 62
[6] Vgl. Engell, Lorenz / Vogl, Joseph : Zur Einführung.
In: Pias, Claus et al. [Hrsg.] (1999): S. 9
[7] Vgl. Engell, Lorenz (1998): S. 278
[8] Vgl. Engell, Lorenz (1998): S. 278
[9] Vgl. Shannon, Claude E. / Weaver, Warren (1964)
[10] Zitiert nach Winterhoff-Spurk, Peter (1989):
S. 25
[11] Vgl. Engell, Lorenz (1998): S. 278
[12] Vgl. exemplarisch Heinrich, Jürgen (1994): S.
19
[13] Vgl. Shannon, Claude E. / Weaver, Warren
(1964): S. 447
[14] Vgl. auch Engell, Lorenz (1999): S. 131
[15] Vgl. u.a. McLuhan, Marshall (1968): S. 43
[16] Vgl. Engell, Lorenz / Vogl, Joseph (1999): S.
10
[17] Wie es z.B. Marshall McLuhan (1968) tut.
[18] Engell, Lorenz (1999): S. 127
[19] Die nachfolgend vorgestellten „Schichten der
Medialität“ basieren auf: Engell, Lorenz (1998): S. 280-285
[20] Foucault, Michel (1976): S. 259
[21] Siehe vertiefend: Cassirer, Ernst (1998): S.
76-97
[22] „In der Totalität seiner eigenen Leistungen
und der Erkenntnis der spezifischen Regel, durch die jede von ihnen bestimmt
wird, sowie in dem Bewußtsein des Zusammenhangs, der alle diese besonderen
Regeln wieder zur Einheit einer Aufgabe und einer Lösung vereint: in alledem
besitzt nunmehr der Geist die Anschauung seiner selbst und die der Wirklichkeit.“
Cassirer, Ernst (1998): S. 96
[23] Engell, Lorenz (2001): 3. Vorlesung [www]
[24] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 175
[25] Sinnverfertigung ist dabei immer temporal bedingt:
Egal ob auf die Vergangenheit oder die Zukunft gerichtet, sinnvolles Handeln
ist immer ein Handeln, dem sich ein nachfolgendes Handeln anschließen
kann oder sich aus vergangenem Handeln rechtfertigt. Vgl. Engell, Lorenz
(1998): S. 271
[26] Engell, Lorenz (1998): S. 281
[27] Diese Schichten der Medialität erlauben es,
ein Medium als Technik, Struktur und Kultur zu verstehen, ohne es auf
eines dieser Konzepte zu beschränken, wie es den medienwissenschaftlichen
Ansätzen, die nur auf einer dieser Schichten beruhen, vorgeworfen wird.
Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 174f und Kirchmann, Kay (1998): S. 35
[28] Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es vielfältige
heterogene Zugänge zum Begriff der Medien-Zeit gibt, da sowohl die Konzepte
der Zeit, wie auch das Konzept des Medialen unterschiedlichster Definitionen
unterliegen. Vgl. Engell, Lorenz / Vogl , Joseph (1999): S. 9 und
Aichelburg, Peter C. [Hrsg.]: S. 1. Die hier entwickelte ‚Arbeitsdefinition’
ist demnach die Grundlage zur Systematisierung der Medien-Zeit. Dabei
werden abstrakte Grundzüge beschrieben, in die bestenfalls alle denkbaren
Medien-Zeitlichkeiten eingeordnet werden können, ohne diese zwingend alle
aufzuführen. Zur besseren Veranschaulichung wird dabei häufig auf Beispiele
aus den Massenmedien zurückgegriffen. Die beschriebene Systematisierung
lässt sich jedoch gleichermaßen auf Medien der Individualkommunikation
anwenden.
[29] Die folgenden Ausführungen können zwar die getrennte
Beschreibung der einzelnen Zeitlichkeiten leisten, jedoch sollten die
Medien-Zeitlichkeiten immer zusammen gedacht werden, da sie faktisch nicht
trennbar sind, nur systematisierbar: „Die Einheit einer Differenz ist
keinesfalls einfach eine blanke, ungegliederte und ungebrochene Identität,
eine Einheit ohne Differenz.” Vgl. Engell, Lorenz (1998): S. 281
[30] Zitiert nach Beck, Klaus (1994): S. 213
[31] Intervalle existieren als ‚technischer Zwischenschritt’:
zeitlich oder räumlich. Ein zeitliches Intervall liegt beispielsweise
der Wahrnehmung zwischen zwei Filmbildern, ein räumliches zwischen den
Buchstaben eines Textes. Vgl. Engell, Lorenz (1996): S. 187
[32] Welche durch Zugreisen, den Telegrafen, die
Dampfmaschine und den in Kapitel 2.3 beschriebenen Institutionen der Zeit
geprägt waren. Siehe weiterführend Blaise, Clark (2001): S. 176-227
[33] Die Chronophotographie (seit 1882) erweiterte
damit die um 1840 entstandene Fotografie (gr.: „Lichtschrift“) – laut
einem ihrer Erfinder, William Fox Talbot, die detailgetreueste Abbildung
der Natur – um das Element der Bewegung. Frühere Bewegtbildmedien, wie
die Camera-Obscura, die Nebelbilder, die Laterna-Magica oder das Panorama
beruhten nicht auf bewegten fotorealistischen Abbildung. Siehe weiterführend
Schnell, Ralf (2000): S. 27-41; Großklaus, Götz (1995): S. 113-142
[34] Jedoch wird heute die Chronophotographie als
Wegbereiter der Kinematografie interpretiert. Dies dürfte der Tatsache
geschuldet sein, dass Mareys ‚Fotografische Flinte’ ein Art Vorläufer
der Filmkamera war, da man mit ihr bis zu 12 Bilder pro Sekunde ‚schießen’
konnte. Auch das Prinzip Muybridges mehrere Kameras in Reihe zu schalten,
tauchte in einer der aktuellsten Spezialeffekt-Innovationen des Kinos,
dem Flow-Motion, wieder auf. Flow-Motion wurde durch den Film The
Matrix (USA 1999) etabliert und erlaubt die Bewegung der Kamera, während
die Zeit scheinbar stillsteht. Abbildungen beider Techniken befinden sich
im Anhang.
[35] http://www.acolyte.co.uk/Equine/Muybridge1.html
[Stand: 12.06.2002]
[36] Vgl. Kirchmann, Kay (1998): S. 348
[37] Beispielsweise vermögen Menschen akustische
Signale als einzelne Töne wahrzunehmen, wenn wenigstens drei Millisekunden
zwischen den Einzeltönen liegen, sonst erscheinen einzelne Töne als durchgehendes
Geräusch. Um ein Stroboskoplicht nicht als kontinuierlichen Lichtstrahl
zu empfinden, benötigen optische Signale bereits 20 bis 30 Millisekunden
als Pausen-Intervall. Vgl. Lotter, Wolf (2000): S. 86. Aller akustischen
und visuellen Wahrnehmung – auch den Druckerzeugnissen und der Sprache
– ist demnach eine Frequenz und somit Intervalle eingeschrieben.
[38] Die Abstände zwischen den Einzelbildern bewirken
im Zusammengang mit dem Stroboskopeffekt der Unterbrechungen der Film-Projektion
durch das Malteserkreuz eine Nachbildwirkung. Das bedeutet, dass die Lichtimpulse
auf der Netzhaut noch wirken, auch wenn das Bild gar nicht mehr da ist.
Erst diese technischen Beeinflussungen der Augenträgheit im Zusammenhang
mit dem konstanten Transport von 24 Bildern pro Sekunde, der durch die
Perforation des Filmstreifens möglich wurde, konnte die Illusion der störungsfreien
Bewegung perfekt werden lassen. Dies unterscheidet den Film von der Chronophotographie.
Vgl. Schnell, Ralf (2000): S. 43 und Engell, Lorenz (1996): S. 186
[39] Laut Engell ist das Fernsehbild im Unterschied
zu anderen Bildern „...nicht durch einen Rahmen, also spatial in Abhebung
von einem Außen, definiert, sondern temporal durch die Intervalle und
die Form ihrer Reproduktion, also aus seinem Inneren heraus.“ Engell,
Lorenz (1996): S. 17. Die einzelnen Punkte haben demnach kein Verhältnis
zueinander in der Fläche, sondern nur in der Zeit.
[40] Vgl. Großklaus, Götz (1994): S. 42ff
[41] Die Medien-Zeit-Fenster folgen im Normalfall
hintereinander und können in Abhängigkeit von den technischen Voraussetzungen
eines Mediums unterschiedlich lang ausfallen. Vgl. Großklaus, Götz (1994):
S. 42
[42] Vgl. Großklaus, Götz (1994): S. 42
[43] Hat ein Medium wie beispielsweise das Telefon
keinen Speicher, endet das technische Zeitfenster mit der Phase 2, da
es keinen permanenten Speicher gibt und der Mensch sich auf seine Erinnerung
als internen Speicher verlassen muss. Über die direkte Kommunikation hinaus
spielt die ‚Flüchtigkeit’ von Medien kaum noch eine Rolle, da tendenziell
alles durch digitale Speicher und Kopiertechniken aufgezeichnet werden
kann.
[44] Zitiert nach Kirchmann, Kay (1998): S. 70
[45] Historisch ist die Auseinandersetzung mit der
Darstellung von Zeit in ‚Medien’ schon seit Jahrhunderten in die Theorie
der Ästhetik und der Künste eingebettet. Zeit als philosophisches Grundproblem
wurde in verschiedenen theoretischen Ansätzen thematisiert, welche sich
mit den Ausdrucksmöglichkeiten von Zeit in der Kunst auseinander setzten.
Prominenter Ursprung dieser Betrachtungen ist Lessings Laokoon,
in welchem er die Beschränkungen der Ausdrucksmittel im Hinblick auf die
Zeit untersucht. Nach Lessings idealisierender Ästhetikauffassung, kann
die ‚Dichtung’ zeitliche Wirklichkeit verfolgen und adäquat thematisieren,
ist also eine Zeitkunst, wohingegen Malerei und Skulptur ‚erstarrte Zeit’
räumlich detailliert darstellen können, also als Raumkünste zu betrachten
sind. Die zeitliche Zweiteilung von künstlerischen Ausdrucksmedien wurde
durch zweierlei Entwicklungen in der Moderne obsolet. Erstens fand die
Kunst u.a. durch Kubismus und Futurismus einen konzeptionellen Weg, die
Zeit in das Bild zu integrieren, und zweitens generierte der technische
Fortschritt die Grundlagen für das Bewegtbild, durch welches, wie im vorigen
Abschnitt beschrieben, Zeit erstmals in einem Prozess dargestellt werden
konnte. Vgl. weiterführend Eco, Umberto (1985) und Scheer, Brigitte (2002)
sowie Lessing, Gotthold Ephraim (1766): S. 102-119
[46] Die Dauer einer solchen ‚Einheit’ und deren
Verknüpfungen werden in chronometrischen Einheiten gemessen und leiten
sich so direkt aus der materiellen Schicht der Medien-Zeit ab.
[47] So benutzte bereits Alfred Hitchcock 70 Einstellungen
in nur 45 Sekunden seiner legendären Dusch-Mordszene in Psycho, während
ein ‚durchschnittlicher’ Unterhaltungsspielfilm insgesamt nur ca. 600
Einstellungen aufweist. Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 210
[48] Vgl. Beck, Klaus (1999): S. 78
[49] Der Buchdruck mit Gutenbergs beweglichen Lettern
ist bereits ein früher Schritt in Richtung der ‚Digitalisierung’ von Medien.
Digitalisierung versteht in diesem Sinne das Aufbrechen des fließenden
Kontinuums der Schrift in seine Bestandteile, die Lettern, wodurch eine
Beschleunigung der Produktion erst möglich wurde. Vgl. Engell, Lorenz
(1996): S. 184
[50] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 211
[51] Es soll hier noch einmal daran erinnert werden,
dass es genau dieser Sachverhalt ist, der jedes Mediendispositiv zu einem
Zeitdispositiv macht.
[52] Vgl. weiterführend Luhmann, Niklas (1980): S.
235-300
[53] Auch wenn die Sprache ein schwieriges mediales
Phänomen darstellt, da sie zugleich Folge und Objekt von Medialisierung
ist, so bleibt davon unberührt, dass „...Sprache als die mutmaßlich früheste
Manifestation von Medialität anzusehen ist.“ Zudem stellt Medialisierung
immer „...eine Weise der Ver-Sprachlichung dar, wovon die Lautsprache
ihrerseits nur eine spezifische ist. [...] Strukturen sind mit anderen
Worten gleichermaßen und gleichzeitig Ergebnis menschlichen Handels, wie
auch Medium und Voraussetzung desselben.“ Kirchmann, Kay (1998): S. 51
[54] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 165f und weiterführend
Titzmann, Michael (1992)
[55] Vgl. Innis, Harold A. (1997b): S. 121
[56] Alle drei genannten Sequenzierungstechniken
sind umfangreiche ästhetische, technische, ökonomische und kulturelle
Konzepte, die hier nicht vollständig wiedergegeben werden können. Folgend
liegt deshalb der Fokus auf der Herausstellung der zeitlichen Determinierung
dieser Konzepte.
[57] „Montage ist die Komposition, die Anordnung
der Bewegungsbilder als Organisation eines indirekten Bildes der Zeit.“
Deleuze, Gilles (1989): S. 50. Vertiefend zur Geschichte, Theorie, Ästhetik
und Wirkung der Montage siehe: Schnell, Ralf (2000): S. 51-98;
sowie zur materiellen Analyse der Montage: Hickethier, Knut (1996): S.
136-155
[58] Unter Kadrierung lässt sich die mehr oder minder
mit Daten gesättigte dynamische Komposition des Leinwand-Bildes verstehen,
welches aus verschiedenen ästhetischen Bildebenen, -schichten und -zonen
besteht. Vgl. Deleuze, Gilles (1989): S. 27f
[59] Vgl. Beck, Klaus (1994): 213f.
[60] Auch „spezifische Filmzeit“, „Zeit-Bild“ etc.
genannt. Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 216
[61] Vgl. Deleuze, Gilles (1989): S. 50
[62] Vgl. Engell, Lorenz (1996): S. 190 und Beck,
Klaus (1999): S. 81. Für die Einbringung spezieller Zeitsprünge im Film
haben sich über diese Montagetechniken auch spezielle Schnittvarianten
herausgebildet, welche Zeit als eigenständige ästhetische Experimentierfläche
ansehen. So z.B. der „jump-cut“ Jean-Luc Godards, welchen er z.B. in Außer
Atem (À Bout de souffle) einsetzte, um zeitliche Wahrnehmungsgewohnheiten
zu stören. Vgl. Schell, Ralf (2000): S. 56 und Engell, Lorenz (1996):
S. 190-191
[63] Hier zeigt sich ein weiteres Indiz für die Dominanz
der Zeit: Zeitliche Abwesenheit im einzelnen Filmbild ist inkommensurabel.
Während der in der Kadrierung nicht gezeigte Raum (das Off oder
hors-champ) immer implizit anwesend ist – man braucht nur die Kameraperspektive
zu vergrößern um sie einzufangen – bleibt das zeitlich Abwesende im reinen
Bild nicht abbildbar und nicht anschlussfähig. Es entsteht erst dadurch,
dass der Zuschauer die montierten Sequenzen in Bezug zueinander setzt.
Vgl. Engell, Lorenz (1996): S. 191f
[64] Da sich die Außenwelt eines Rezipienten ständig
wandelt, ändern sich auch die sinnhaften Bezüge, weshalb beispielsweise
manche Filme in der Kindheit als Unterhaltung und im Erwachsenenalter
als Zeitverschwendung angesehen werden.
[65] Als ‚Lehrbuchbeispiele’ seien hier Citizen
Kane (USA 1941) und Lola rennt (Deutschland 1998) genannt.
[66] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 214 und Engell,
Lorenz (1996): S. 187
[67] Die ‚Montage’ der Literatur fasst Beck wie folgt
zusammen: „Es entstehen mediale Zeitordnungen, die mit Zeitbewußtseinen
vermittelt sind, also auf wechselseitigen Kognitionen beruhen. So wissen
wir als Leser beispielsweise, daß die gegenwärtige Schrift in der Vergangenheit
produziert wurde. Wir lesen sie aber so, als ob es sich um gegenwärtige
Äußerungen handele. Leser und Schreiber stellen eine mediale (in diesem
Falle: literale) Gegenwart her, in dem sie in Bezug auf Schreiben und
Lesen so tun, als ob sie tatsächlich gegenwärtig wären.“ Beck, Klaus (1994):
S. 171
[68] Vgl. Schnell, Ralf (2000): S. 52 und Beck, Klaus
(1999): S. 81
[69] Der Begriff Programming beschreibt den
Prozess der zeitlichen Anordnung von Medieninhalten. Vgl. Hickethier,
Knuth (1996): S. 201.
[70] „Bezieht sich Montage auf die zeitliche Gestaltung
einzelner Medienprodukte, so meint Programming die zeitliche Sequentialisierung
und Strukturierung mehrerer solcher Produkte zu einem umfassenden Programm.“
Beck, Klaus (1994): S. 220
[71] Fernsehen bietet zwar ein täglich feinsegmentiertes
Programm, aber es unterliegt auch einem jahreszeitlichen Grundrhythmus:
„Im Herbst werden neue Serien gestartet, die [...] im Winter laufen [...].
Im Frühling werden neue Serien erprobt, während im Sommer vor allem Wiederholungen
und „Resteverwertungen“ [...] stattfinden.“ Beck, Klaus (1994): S. 220
[72] Vgl. Hickethier, Knut (1996): S. 201f und Beck,
Klaus (1994): S. 222
[73] „In den Jahren 1929 bis 1934 war elektrisches
Fernsehen nichts anderes als auf einem neuen Weg verteiltes und in seinen
Produktionen zurechtgestutztes Kino, Fernkinematografie eben.“
Zielinski zitiert nach Beck, Klaus (1994): S. 222 – Hervorhebung im Original
[74] William Uricchio leitet daraus ab, dass die
kulturelle Bereitschaft bereits auf die Zeitstrukturen des Fernsehens
ausgerichtet war, und der Film sich nur aus ökonomischen Gründen als Informationsmedium
etablierte. Vgl. Uricchio, William (2000): [www]
[75] „Fransen-Stunden“ – Programmend- und Programmübergangszeiten,
wie z.B. die späte Nacht oder der Sonntagmorgen. Vgl. Beck (1994): S.
222
[76] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 223. Diese ‚Auffüllungen’
entstehen durch die Substitution ehemals ritualisierter Programmenden,
wie der Nationalhymne mit folgendem Testbild oder den abschließenden Spätnachrichten,
durch ‚Nicht-Programmelemente’, wie das abgefilmte Aquarium oder die ‚niemals
endende’ Berliner S-Bahnfahrt. Vgl. hierzu auch Beck, Klaus (1994): S.
226; Das Internet hat dieses Muster der Angebots-Permanenz erst vervollständigt,
indem es die Programmgestaltung gänzlich dem Rezipienten überlässt.
[77] Da elektronische Rundfunk-Medien per se keine
Speicherfunktion besitzen, müssen diese zu Zwecken größerer zeitlicher
Unabhängigkeit durch Speichermedien wie beispielsweise den Videorekorder
und/oder das Tonband ergänzt werden.
[78] Das in den 20er Jahren eingeführte Mosaik-Layout
bezeichnet die Anordnung von verhältnismäßig kurzen Texten auf einer Seite.
Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 213
[79] An das Prinzip der Serialität schließen sich
komplexe ästhetische Diskussionen an, die hier nur verkürzt im Kontext
der Massenmedien wiedergegeben werden können. So war die Serialität als
Wiederholung lange Zeit in der Kunst verankert – beispielsweise in der
Romantik. Als ‚schön’ galt, was einer möglichst genauen Kopie eines Originals
entsprach. Die Moderne wendete die Wertigkeit in das Originelle, welches
einmalig und nicht wiederholbar war. Die damit einhergehende Abwertung
des Seriellen, sowohl in der physischen, wie inhaltlichen Massenproduktion
wurde erst von der Postmoderne aufgehoben, welche die Originalität der
Serialität hervorhob. Vgl. Eco, Umberto (1983): S. 155f
[80] Vgl. Eco, Umberto (1983): S. 155
[81] Serialität könnte als eine der Hauptcharakteristika
von Medienprodukten angesehen werden. Auch die Herausgabe von Software
in sukzessiven Versionen hat den Charakter des Seriellen. Software muss
im geeigneten Maß das Alte bereits enthalten. Vertrautes wird durch neue
Versionen meist ‚nur’ verbessert oder effizienter.
[82] Exemplarisch seien hier nur die inhaltlichen
Formen der Serie genannt: Reprise (Fortsetzung), die Kopie (Remake), die
Schleife (Erzählung in mehreren Rückblenden-Episoden), die Spirale (Vertiefung
der Charaktereigenschaften von Folge zu Folge) und die Saga (Stammbaumerzählung
mit mehreren Handlungsbögen) vgl. Eco, Umberto (1983): S. 160-162, welche
sich ihrerseits in Serials (langlaufende Einzelfolgenserie u.a.
Soap Operas), Mini-Serien (Mehrteiler mit meist vier bis
zwölf Folgen), Anthologien oder Reihen (thematische Einheit
bei wechselnden Schauplätzen und -spielern) unterteilen lassen. Vgl. Beck,
Klaus (1994): S. 230-233 und Hickethier, Knut (1996): S. 183-186
[83] Verschiedenste Spielweisen von Zitaten können
ein immer komplexeres Geflecht von Intertextualitäten aufweisen. Exemplarisch
seien hier das Stilzitat (‚Kopie’ der Erzählweise) oder das ironische
Topos-Zitat (Verweis auf andere Inhalte) genannt. Vgl. Eco, Umberto
(1983): S. 162f. Dem Zitat kommt jedoch darüber hinaus auch in der nicht-fiktionalen
Welt eine hohe Bedeutung zu. So schafft das Zitat im Gegensatz zum Neuen
Anschlussfähigkeit und reduziert Komplexität, da das Zitierte nicht noch
einmal in der vollen Länge wiederholt werden muss.
[84] Der Vorrat an Anschlussmöglichkeiten durch bereits
rezipierte Medieninhalte. Vgl. Eco, Umberto (1983): S. 163
[85] „In the name of „progress,“ our official culture
is striving to force the new media to do the work of the old.” McLuhan,
Marshall / Fiore, Quentin (1967): S. 81
[86] Vgl. Eco, Umberto (1983): S. 174 und Hickethier,
Knut (1996): S. 185
[87] Oder wie Umberto Eco es wendet: „In diesem Sinne
steht die Serie nicht notwendig im Gegensatz zur Innovation. Nichts ist
»serieller« als ein Krawattenmuster, und dennoch ist nichts so persönlichkeitsbildend
wie eine Krawatte.“ Eco, Umberto (1983): S. 169
[88] Vgl. Eco, Umberto (1983): S. 165
[89] Dies bezeichnet man als Gatekeeper-Funktion
der Nachrichten.
[90] Das zeitliche Intervall zwischen Selektion und
Aktualisierung muss demnach so kurz wie möglich sein.
[91] Vgl. Hickethier, Knut (2002): S. 121
[92] Zeit wird auch im Journalismus nach dem Prinzip
‚Zeit ist Geld’ als Maßeinheit für die Umwandlung einer ‚Idee’ in ein
journalistisches Produkt verstanden. Vgl. Schaffrath, Michael (2002):
S. 96 und Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 242
[93] Die Arbeit der global arbeitenden Nachrichtensender,
wie CNN (Start 1980), war von Anfang an mit dem Primat der Synchronität
belegt. Die Arbeit in einem weltweiten Informationssendernetzwerk machte
erst Sinn, als die Übertragungswege sich weltweit synchronisieren ließen.
Besonders die Live-Übertragungen aus entlegenen Gebieten und die Aktualität
wurden zum zeitlichen Kernfaktor der Nachrichtensender. Weiterführend:
Meckel, Miriam / Kriener, Markus [Hrsg.] (1996).
[94] Vgl. weiterführend Engell, Lorenz / Vogl, Joseph
[Hrsg.] (2001)
[95] Zur zeitlichen Problematik des medialen Archivs
sei hier nur das Internet angeführt: Die schiere Größe des medialen Archivs
‚Internet’ birgt in seiner vernetzten Komplexität größte navigatorische
Probleme. Informationsüberflutung sorgt dafür, dass ein beträchtlicher
Betrag von Wissen in den Speicher der Medien ‚absinkt’, ohne je reaktiviert
zu werden. Die Strukturen, welche die Navigation im Internet erlauben,
bilden so komplexitätsreduzierende Institutionen, die ihrerseits zu Pfadabhängigkeiten
führen, da nur das gefunden werden kann, was eine Suchmaschine indiziert,
oder ein Browser darstellen kann.
[96] Der Länge, die ein Medium einen Inhalt speichern
kann, kommt eine nicht unwesentliche Bedeutung zu, so hat Harold Innis
Trägermedien nach space-bias, ‚nicht-haltbare’ aber transportable
Medien mit höherer Verbreitung und time-bias, statische, aber ‚haltbare’
Medien unterschieden. Laut Innis entscheiden die Neigung der Medien in
Richtung Raum oder Zeit über die entsprechende Gesellschaftsform. Vgl.
u.a. Innis, Harold A. (1991): S. 122
[97] „Ohne Medien des Beobachtens, Archivierens,
Sortierens, Erschließens, ohne Medien der Codierung und Darstellung in
Bild, Wort und Zahl, ohne Medien der Verbreitung schließlich ist die Geschichtsschreibung
(und somit Geschichte überhaupt) nicht möglich.“ Engell, Lorenz / Vogl,
Joseph [Hrsg.] (2001): S. 7
[98] Wurde in früheren Jahren auch das redaktionelle
Programm, wie frühe Soap-Operas, noch live vom Fernsehen übertragen, so
beschränkt sich die Live-Übertragung heute fast ausschließlich auf okkasionale
Medien-Events, wie z.B. Sportveranstaltungen. Vgl. Schaffrath, Michael
(2002): S. 95-110
[99] Vgl. Uricchio, William (2000): [www]
[100] Der Begriff der Periodizität ist wie die Aktualität
stark mit den journalistischen Medien verknüpft. Historisch findet dies
seine Begründung darin, dass die regelmäßige Wiederkehr von Publikationen
sich bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert etabliert hat. Vgl. Beck,
Klaus (1994): S. 242
[101] Die Auskristallisierung von Zeitdruck in Form
von ‚Dead-Lines’ kann außerdem ein Selektionskriterium sein, welche Inhalte
aufgenommen werden können. Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 243
[102] Vgl. Kirchmann, Kay (1998): S. 349
[103] Kirchmann, Kay (1998): S. 351
[104] Cassirer, Ernst (1998): S.95
[105] Kirchmann, Kay (1998): S. 347
[106] Cassirer, Ernst (1998): S. 96
[107] Zeit und ihre Medien(-dispositive) der Uhr
und des Kalenders stehen in einem interdependenten Verhältnis, da sie
beide der sozialen Relationsbestimmung dienen. Vgl. Kirchmann, Kay (1998):
S. 347 Sie werden demnach im folgenden als sozial institutionalisierte
Medien verstanden.
[108] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 165 vgl. auch
Hickethier, Knuth (2002): S. 111
[109] Vgl. Engell, Lorenz (1998): S. 282
[110] Die Beschleunigungsthese wird gängigerweise
als erste Verbindung zwischen Zeit und Medien geknüpft. Ausgehend von
McLuhan, welcher der technischen Beschleunigung positiv gegenüber stand,
bis zu den kulturpessimistischen Essays Paul Virilios über die Beschleunigung
der Gesellschaft, welche zur ‚Dromokratie’, der Herrschaft der Geschwindigkeit
und dem ‚rasenden Stillstand’ und der Behinderung des Fortschritts durch
die Beschleunigung der Medien führte, sind alle Positionen in der üblichen
Verteilung von Apokalyptikern und Integrierten vorhanden. Vgl. weiterführend
Kirchmann, Kay (1998): S. 16-27
[111] Vgl. weiterführend Glotz, Peter (2001) und
Virilio, Paul (1992)
[112] So wird über die Erhöhung der ‚technischen’
Schnittfrequenz die Tendenz zur höheren Geschwindigkeit von Medieninhalten
abgeleitet. Diese ‚Beschleunigung’ beruht beispielsweise auf Schnittgeschwindigkeiten,
welche beispielsweise in den 80er Jahren über die ‚Einführung’ der Videoclipästhetik
Mtv’s (seit 1981) in Fernsehen und Film aufgenommen wurde und in
den 90er Jahren seine Entsprechung in den ‚Beats per Second’ der Techno-Musik
fand und durch Spot- und Flash-News in den Nachrichtenkanälen – allen
voran von CNN – aufgegriffen wurde. Die ‚Geschwindigkeit der Medien’
impliziert demnach, dass die kognitive Phase der Konnotation im Netz kultureller
Zeichenbezüge sich nicht mehr konstituieren kann und somit die Sinnproduktion
nicht mehr bzw. nur unvollständig vollzogen werden kann. Vgl. Großklaus,
Götz (1999): Abschnitt 2 und Engell, Lorenz (1996): S. 187
[113] Studien zufolge führt eine hohe Ereignisdichte
im Fernsehen nicht zur Langeweile im Alltag. Vgl. Winterhoff-Spurk, Peter
(1989): S. 72
[114] Bei fernsehgewöhnten Rezipienten wird ein
Film mit langen Schnittfrequenzen als langsam bzw. langweilig empfunden.
Vgl. Winterhoff-Spurk, Peter (1989): S. 72
[115] Vgl. Elias, Norbert (1984): S. XIII
[116] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 136
[117] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 135
[118] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 136
[119] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 283
[120] Exemplarisch steht hierfür die Frage:„Hast
Du das gesehen?!?“
[121] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 288
[122] Dies geschieht durch die Annahme allgemein
bekannter Zeitmarken, wie der Prime-Time, als soziale Synchronisationsmöglichkeit
ohne Koordinationsaufwand. Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 136
[123] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 288
[124] Vgl. Hickethier, Klaus (2002): S. 121
[125] Vgl. Beck, Klaus (1994): S. 86
[126] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 133
[127] Vgl. Neverla, Irene (1992): S. 34
[128] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 133
[129] Vgl. Lash, Scott / Urry, John (1994): S. 226
[130] Neverla, Irene (1992): S. 34. Derselben These
folgt Linder für die Formulierung des ökonomischen Linder-Axioms. Linder,
Staffan B. (1972): S. 14f
[131] Langeweile ist demnach, wie die Zeitnot, ein
Ergebnis der zweckrationalen Nutzung. Denn erst unter diesem Gesichtspunkt
wirken scheinbar ‚nutzlose’ oder ‚unausgefüllt’ vergangene Dauern als
‚leer’. Vgl. Neverla, Irene (1992): S. 34
[132] Rifkin, Jeremy (1988): S. 21
[133] „Sicherlich ist die Unterhaltung auch eine
Komponente der modernen Freizeitkultur, die mit der Funktion betraut ist,
überflüssige Zeit zu vernichten.“ Luhmann, Niklas (1996): S. 96
[134] Vgl. Neverla, Irene (1994): S. 85
[135] Diese wird häufig bei Personen mit deregulierter,
von Außenstehenden als unstrukturiert bezeichneter Lebenszeit in Verbindung
gebracht. So wird ‚Zeitverschwendung’ durch Interimsnutzung besonders
häufig bei Studenten, Freiberuflern oder Arbeitslosen ausgemacht. Vgl.
Neverla, Irene (1994): S. 85
[136] Beck spricht von der „...Verwirklichung des
Willens zur Langeweile“. Beck, Klaus (1994): S. 303
[137] Muße bedingt wie Langeweile immer die Abkopplung
von der äußeren, gesellschaftlichen Zeit der Welt. Vgl. Beuthner, Michael
(2002): S. 150
[138] Der Effekt tritt augenscheinlich ein, wenn
die individuelle Wahrnehmung des durch Montage und Serialität geprägten
Medienproduktes als kürzer empfunden wird, als seine chronometrische Dauer.
Dieser Effekt gilt im übrigen nicht nur für die audiovisuellen Medien,
sondern durchaus auch für Texte.
[139] Vgl. Neverla, Irene (1994): S. 85
[140] Vgl. Beck,Klaus (1994): S. 271
[141] Anhang D gibt einen Überblick über die statistisch
ermittelten häufigsten Paralleltätigkeiten bei der Medien-Nutzung.
[142] Bereits die Zeitung bietet ein hohes Maß an
zeitlicher Autonomie, da sie durch die Permanenz des Papiers theoretisch
jederzeit lesbar ist.
[143] Switching wird verstanden als zeitliche
Eigengestaltung der inhaltlichen Reihenfolge des Fernsehprogramms; Zapping
ist die effiziente Vermeidung der Werbepausen und Grasing dient
– analog der Nutzung von Printmedien – der Schaffung eines Programmüberblicks
per ‚Durchblättern’ eines Fernsehprogramms. Vgl. Neverla, Irene (1994):
S. 85f und Beck, Klaus (1994): S. 302f
[144] An dieser Stelle von Demontage und Entprogrammierung
zu sprechen, wie Beck es tut - vgl. Beck, Klaus (1994): S. 301ff - ist
streng genommen unpräzise, da es sich eher um REmontage und REprogrammierung
handelt.
[145] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 137
[146] Nicht nur die eigenständige Zusammenstellung
eines Programms, welche wie beschrieben bereits vor dem Internet möglich
war, wird durch digitale Medien wie iTV und ‚on-demand’-Angebote weiter
flexibilisiert, sondern auch die medieninternen Zeitlichkeiten der Montage
fallen über den Hypertext hinaus auch bei vorgefertigten Produkten der
Variabilität anheim. So werden Kinofilme als ‚Users-Cut’ in neu geschnittenen
Formen angeboten, um nicht gefallende Strukturen des Films umzuschneiden
oder ganz zu entfernen.
[147] Wodurch der Navigation durch das Angebot ein
immer höherer Stellenwert zukommt. Wenn Medien nur noch Archiv sind und
das Programm keine Funktion als Verzeichnis mehr erfüllt, kommt der Navigation
ein immer höherer Stellenwert zu. Für die zeitliche Gestaltung von Medieninhalten
wird also zukünftig nicht nur die Fernbedienung, sondern eventuell auch
Browserstrukturen zu den Standard-Navigatoren gehören.
[148] Die zeitlich immer noch streng begrenzte Familienfotografie
wurde inzwischen durch die fast lückenlose Videodokumentation ersetzt.
Die Verunsicherung der eigenen Geschichte ist auch den Medienwissenschaften
selbst anzumerken, die immer wieder ihre eigene Geschichtsschreibung in
Frage stellen und neu historisch verorten. Vgl. Urrichio, William (2001)
[149] Vgl. Neverla, Irene (1999): S. 137
[150] Die Grundlage dafür, dass Medien als Zeitgeber
fungieren, begründet sich auf Albert Einsteins System zur dezentralen
Koordination von Uhrzeit. Nach diesem System war die Synchronisation von
Uhren über weite Distanzen nicht mehr nach dem Newtonschen Prinzip einer
zentralistisch absoluten Himmelsuhr (gemessen z.B. an einer astronomischen
Sternwarte) abhängig, sondern von sich selbst, d.h. die Uhren glichen
sich, wie in einem Netzwerk, aneinander ab. Zeit war nun nicht mehr nur
im theoretischen Sinne ‚relativ’ zu ihrem Beobachter und dessen Bewegung,
sondern existierte nun auch technisch-real nur noch ‚relativ’ – in Bezug
auf andere Uhren. Einstein veränderte damit die Regeln der Zeitbestimmung,
die wiederum den, in einer Gesellschaft vorherrschenden Zeitbegriff beeinflussen:
die Zeit war nicht mehr von einer festen Größe, den Sternen abhängig,
sondern relativ von den eingesetzten Medien der Zeitmessung (wie z.B.
Uhren, aber auch dem Fernsehen etc.). Vgl. u.a. Galison, Peter (2000):
S. 216f und Aichelburg, Peter C. (1988): S. 231
[151] Diese Indizien verteilen sich u.a. über die
gesellschaftskritischen Ansätze der ‚negativen Flexibilisierung’ (Sennet),
der ‚Dromokratie’ (Virilio) und der ‚Uhrenherrschaft’ (Rifkin) bis zur
freudigen Erwartung der ‚zeitlosen Zeit’ (Castells). Vgl. Sennett, Richard
(2000); Virilio, Paul (1992); Rifkin, Jeremy (1988); Castells, Manuel
(2001)
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